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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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hinter und unter dem Bett nach. Sie suchte im Kühlkasten und in sämtlichen Schubladen. Sogar draußen sah sie nach und ging um das ganze Haus herum. Schließlich starrte sie auf den Teppich und auf die Beule in der Mitte.
    Als sie den Flickenteppich mit einem Schwung entrollte, fiel etwas heraus, das quer durch das Zimmer geschleudert wurde. Hoffnungsvoll ging sie darauf zu, um es zu holen, da sah sie die Maus. Es war die Maus, die zuvor über den Boden gehuscht war, und bei ihr war noch eine ganz kleine Maus, wahrscheinlich ihr Junges. Ihre Blicke waren wild vor Schreck. Zee hatte mit dem Aufrollen des Flickenteppichs ihr Zuhause zerstört. Neben dem Mäusebaby lag, wie hindrapiert, die Seidenblume, die die Mäuse von dem alten Strohhut abgenagt hatten, und der Ball von Zees Kinderspiel, der vor langer Zeit einmal unter das Bett gerollt war. Daneben war das Buch.
    Strychnin hieß das Gift, über das Maureen für ihre Geschichte recherchiert hatte, das Gift, das sie die Haushälterin für den Kapitän verwenden ließ. Es war auch das Gift, das Maureen schließlich bei sich selbst verwendete.
    Es waren viele einfachere Gifte erhältlich, ein paar, von denen sie durch Ann erfahren hatte, und andere, die einfach in ihrem Garten wuchsen. Maureen hatte sie alle in Betracht gezogen und verworfen. Strychnin ist ein Gift, das das Rückenmark hinaufwandert und so die Intensität der Krämpfe, die es hervorruft, erhöht. Es ist eine schreckliche Art zu sterben. Jeder Notfallmediziner, der einmal eine Strychninvergiftung miterlebt hat, dürfte sie kaum jemals wieder vergessen. Die Anfälle kommen oft bereits innerhalb von zehn Minuten nach der Einnahme und werden durch irgendwelche Reize ausgelöst – Todesangst, helles Licht, ein vorüberfahrendes Auto. Theoretisch wäre es möglich, eine Strychninvergiftung zu überleben, wenn man den Betroffenen etwa vierundzwanzig Stunden lang völlig ruhig halten könnte, in absoluter Stille, bis das Gift den Körper verlassen hat. Doch das gelingt so gut wie nie. Ein Geräusch, selbst die kleinste Berührung, löst Anfälle aus, bei denen der Rücken nach hinten gebogen wird, bis Kopf und Füße den Boden berühren, so dass der Körper einen beinahe vollkommenen Bogen bildet. Nach jedem Anfall kollabiert der Betroffene und sammelt neue Kraft für den nächsten Krampfanfall. Nach fünf oder sechs Anfällen hat der Körper keine Reserven mehr, und der Betroffene stirbt an Ateminsuffizienz oder Erschöpfung.
    Maureen plante ihren Tod sorgfältig, jedoch nicht perfekt. Finch hatte Sommerferien und musste nicht unterrichten. Er feierte mit seinen Piratenfreunden, die gerade bei einem zweitägigen Zeltlager auf Winter Island mitmachten. Und da Zee mehrere Stunden unterwegs sein sollte, hatte Maureen die Gelegenheit genutzt.
    Ihr Abschiedsbrief war so versteckt, dass nur Finch ihn finden konnte. Den Brief schloss sie mit Gedichtzeilen, die zu dem Buch passten, das ihre Tochter ihr in diesem Moment brachte.
    Komm hinfort, o Menschenkind!
    Auf zu Wassern, Wildnis, Wind
    Mit einer Fee an deiner Hand,
    Denn auf der Welt gibt es mehr Tränen
als je ein Kind verstand.
    Keine fünfzehn Minuten, nachdem Maureen das Gift genommen hatte, kehrte Zee mit dem Buch nach Hause zurück. Sie schlug die Fliegengittertür in der Küche zu, bevor sie die Treppe hinauflief. Es war das Geräusch der zuschlagenden Tür, das Maureens ersten Anfall auslöste.

20
    Zee lag immer noch auf dem Sofa, als sie aufwachte. Der Himmel war nun wolkenlos, und über dem Hafen stieg der Mond auf. Er war groß und gelb, sie hatte schon lange keinen solchen Mond mehr gesehen. Sie setzte sich auf, versuchte sich zu orientieren und begriff, dass nicht das Mondlicht sie geweckt hatte. Jemand hämmerte gegen die Tür.
    Finch war bereits im Bett, und Jessina war über Nacht bei sich zu Hause.
    Zuerst dachte sie, es könnte Hawk sein. Er hatte sich eventuell für den Abend angekündigt, um den Handlauf anzufertigen. Aber ihre Uhr zeigte an, dass es bereits nach elf war. Verwirrt und immer noch verschlafen machte sie sich auf den Weg zur Tür.
    Es war Michael.
    »Ich habe deine Nachricht bekommen«, sagte er. »Mir tut es auch leid.«
    Obwohl sie beide erschöpft waren, schliefen weder Michael noch Zee in dieser Nacht sonderlich viel. Zees Kinderbett war ein altmodisches Doppelbett, und in der Mitte hing es durch wie eine Hängematte. Für Zee allein war das in Ordnung, zu zweit war das weniger angenehm. Und Finch litt wieder am

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