Die Widmung: Roman (German Edition)
Mattei.
»Sollten wir nicht jemandem davon erzählen?«
»Was erzählen?«
Zee schaute frustriert.
»Denken wir es doch einmal durch«, sagte Mattei. »Man kann rein gar nichts tun. Man kann nicht irgendwen festnehmen, weil er einen Menschen in den Selbstmord getrieben hat. Wenn das ginge, wären die Gefängnisse voll mit Ehemännern, Ehefrauen, Verwandten und Arbeitgebern. Ist denn nicht immer jemand anderes schuld?«
»Trotzdem …«, meinte Zee.
»Sie hatte eine bipolare Störung«, sagte Mattei.
»Das ist mir sehr wohl bewusst.«
»Du weißt aus persönlicher Erfahrung, wie das manchmal endet.«
»Du meinst meine Mutter.«
»Ja«, sagte Mattei.
»Meine Mutter hatte eine Bipolar-I-Störung. Und bekam keine Medikamente.«
»Medikamente helfen nicht immer. Typisches Beispiel: Lilly Braedon.«
»Ich hätte es gewusst, wenn Lilly selbstmordgefährdet gewesen wäre«, sagte Zee, und bevor Mattei antworten konnte, fügte sie hinzu: »Ich war dreizehn, als meine Mutter starb. Wenn das heute passieren würde, hätte ich mit meiner Ausbildung die Anzeichen bemerkt.«
Mattei schwieg.
»Und da ist noch etwas«, sagte Zee. »Auch du hast sie nicht für selbstmordgefährdet gehalten.«
»Willst du mir jetzt erzählen, was ich dachte?«
»Du hättest sie nicht zu mir in Behandlung geschickt, wenn es anders gewesen wäre«, sagte Zee. »Gib es doch zu. Sie war genauso Teil meiner Behandlung wie ich von ihrer.«
»Interessante Theorie«, meinte Mattei.
»Du weißt, dass sie mich an meine Mutter erinnert hat. Du dachtest, ich könnte sie behandeln und dadurch ein anderes Ende bewirken. Das habe ich jedenfalls gedacht.«
»So wie in: ›Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende‹?«
»So wie in: ›Denk dir was aus.‹« Zee wurde sichtlich erregt. Ihre Hände zitterten. Sie drückte sie zusammen, um sie zu beruhigen.
»Atme tief ein«, sagte Mattei.
Zee schaute frustriert. Aber sie gehorchte. Sie holte tief Luft und hielt den Atem so lange wie möglich an. Dann atmete sie langsam aus.
»Alles in Ordnung?«
Zee nickte.
»Das ist verhältnismäßig normal. Du hast gerade eine Patientin verloren. Eine, die dir wichtig war. Und du hast deine Verlobung gelöst, und dein Vater ist sehr krank, das solltest du nicht unterschätzen«, sagte Mattei.
»Das tue ich nicht«, antwortete Zee. »Ich weiß selbst, wie sich das alles auf mich auswirkt. Ich finde nur, wir sollten jemandem von Adam erzählen.«
»Das haben wir schon.«
»Dann sollten wir es noch einmal tun.«
»Lass es uns doch abwägen.« Mattei klang diesmal energischer. »Denk an die Familie. Willst du wirklich, dass sie noch mehr durchmachen müssen, als sie sowieso schon erlitten haben? Lilly hatte eine Affäre mit Adam. Und die Polizei hat uns erzählt, es gab auch noch andere Männer. Möchtest du dem wirklich nachgehen?«
Zee schwieg. Mattei hatte recht.
»Falls es dich tröstet«, sagte Mattei, »es stimmt, was du gesagt hast. Ich habe das nicht kommen sehen.«
Vor der Küchentür war etwas zu hören. Jemand war auf der Veranda. Jessina sperrte die Tür mit ihrem Schlüssel auf und sah sie an.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Soll ich lieber später noch mal kommen?«
»Nein, schon gut. Jessina, das ist meine Freundin Mattei. Mattei, das ist Jessina. Sie versorgt Finch.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Mattei streckte ihr die Hand entgegen.
»Ich wollte ihm Kekse backen.« Jessina zeigte die Tüte Mehl, die sie mitgebracht hatte.
»Jessina kann großartig backen«, sagte Zee.
»Einfach so, ohne Fertigmischung?«, fragte Mattei.
»Ich verwende nie eine Mischung«, sagte Jessina.
»Alle Achtung«, meinte Mattei.
Zee und Mattei gingen hinaus auf die Veranda vor der Küche. Von hier aus hatte man einen schönen Blick auf den Hafen, der nur zum Teil von der Werft auf der linken Seite verdeckt wurde. Das Haus erstreckte sich zwischen zwei Straßen, Turner Street und Hardy Street. Es war lang und schmal und hatte auf beiden Seiten einen Eingang.
»Dieses Haus ist richtig alt, oder?«, fragte Mattei mit Blick auf die aufwändig unterteilten Sprossenschiebefenster und den Schornstein in der Mitte.
»Ja. Bis auf die Veranda. Und den Witwensteg.«
Mattei blickte nach oben. »Ich sehe keinen Witwensteg.«
»Nur die Überreste. Siehst du, dort oben? Das flache Teil da auf dem Dach?« Zee zeigte darauf. »Dieses Haus wurde Ende des 18. Jahrhunderts von einem Seekapitän gekauft. Er hat den Witwensteg angebaut und ihn dann angeblich
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