Die Wiedergeburt
Vampyr einlassen wollen, wenn er Vladimir jedoch helfen und verhindern wollte, dass der Unendliche ihn und Alexandra tötete, blieb ihm keine andere Wahl. Auch wenn er sich für den Augenblick mit Mondragon verbündete, wusste er noch nicht, ob er ihn davonkommen lassen würde. Tatsächlich schien der Vampyr keine bösen Absichten zu verfolgen, er war sogar bereit, Vladimir zu schützen. Doch vielleicht hatte er das auch nur behauptet, um ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen. Nein , entschied Gavril. Er mochte eine Hilfe sein, doch letztlich war es nicht ausschlaggebend, ob er Vladimir zum Glockenturm führte oder ob der Vampyr selbst dafür sorgte, dass sie gefunden wurden.
Er hatte Alexandra nicht glauben wollen, doch wenn er nicht gewusst hätte, dass Mondragon ein Vampyr war, hätte er ihn ebenso gut für einen Menschen halten können. Über welche Macht er verfügte, hatte er Gavril deutlich spüren lassen, ebenso seine Selbstsicherheit, doch ihm fehlten die Grausamkeit und Kälte, die Gavril sonst von seinesgleichen kannte. Die Art, wie er mit Alexandra umging, wie er sie ansah – das war mehr als bloße Sorge um ihr Wohlergehen.
Zweifelsohne hatte sich Alexandra verändert. Das war ihm schon während der Zeit im Kloster aufgefallen und auch vorhin, als er auf dem Plateau hoch oben im Glockenturm neben ihr gestanden und Mondragon bei den Vorbereitungen des Rituals beobachtet hatte. Ihre kühle, abweisende Fassade wirkte brüchig. Von Zeit zu Zeit gelang es ihm, dahinterzusehen und einen Blick auf ihre Gefühle zu erhaschen. Gefühle, die sie seit dem Tod ihrer Familie nicht mehr zugelassen hatte. Sorge. Zuneigung. Hoffnung.
Gavril wäre gerne derjenige gewesen, der diese Gefühle in ihr weckte, doch er hatte einsehen müssen, dass das nicht geschehen würde. Wenn dieser Mondragon es vollbrachte, gönnte er ihr das von Herzen. Er wollte Alexandra glücklich sehen, wollte, dass sie ihre Freude am Leben wiederfand.
»Er tut dir gut«, sagte er.
Alexandra sah ihn an. »Was?«
»Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber diese …« Er hatte Bestie sagen wollen, schluckte das Wort aber hinunter. »… dieser Mann tut dir sichtlich gut.«
»Ja, das tut er«, sagte sie ohne die geringste Freude. Ehe Gavril noch mehr sagen konnte, ging sie zu Mondragon. Er kniete vor der hinteren Ecke des Plateaus und trug mit rotbrauner Farbe Schriftzeichen auf den Stein auf.
»Brauchst du Hilfe?«, hörte Gavril sie fragen.
Mondragon schüttelte den Kopf.
»Aber uns läuft die Zeit davon!«
Der Vampyr stellte den Tontiegel mit der Farbe zur Seite und stand auf. »Ich habe das Ritual studiert«, sagte er ruhig, »deshalb weiß ich, welche Vorbereitungen zu treffen sind. Alles muss Schritt für Schritt erfolgen, weshalb es auch mit deiner Hilfe nicht schneller gehen würde. Ruh dich aus, du wirst deine Kraft brauchen.«
In der Absicht, dafür zu sorgen, dass sich Alexandra tatsächlich ausruhte, ging Gavril zu ihnen. Dann blieben seine Augen jedoch auf den roten Schriftzeichen hängen, die am Ende einen Kreis ergeben würden. Immer wieder blickte Mondragon auf eines der Pergamente, die Bothwell zuvor aus dem Haus des Vampyrs geholt hatte, und vergewisserte sich, dass ihm kein Fehler unterlaufen war.
Beim Anblick des Kreises wurde Gavril bewusst, wie wenig er über das bevorstehende Ritual wusste. »Was ist das?«, erkundigte er sich.
»Ein Teil der lateinischen Formel, die während des Ritus rezitiert werden muss«, erklärte Mondragon, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. »Niedergeschrieben mit einer Farbe, die ich aus Wurzeln und Blättern gewonnen habe, ist sie dazu gedacht, die Wirkung der Worte zu verstärken.« Mit einigen letzten Pinselstrichen schloss er den Kreis, erhob sich und trat einen Schritt zurück. Das Pergament in der Hand, glich er noch einmal Buchstabe um Buchstabe miteinander ab. Schließlich nickte er zufrieden und holte ein kleines Säckchen aus dem Leinenbeutel. Er öffnete es und schüttete das Pulver darin auf seine Handflächen. »Das ist ebenfalls zur Verstärkung gedacht«, sagte er und streute es in einer gezackten Linie über die Ränder des Kreises. Obwohl ein stetiger Luftzug durch die Schallöffnungen des Turms fuhr, rührte sich kein Stäubchen des Pulvers mehr, sobald es an seinem Platz war.
Mondragon trat in den Kreis und schichtete ein Bündel Reisig am inneren Rand zu einem kleinen Häufchen. Darüber stellte er ein dreibeiniges Metallgestell, in dessen Zentrum er eine gusseiserne
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