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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine
Angst, die er schon zu oft gesehen hatte und die ihn jedes Mal erneut
schmerzte, auch wenn sie diesmal eher Abu Dun als ihm zu gelten
schien.
Andrej wusste nur zu gut, wie leicht Angst in Hass umschlagen
konnte, und Hass in Gewalt. Abu Dun hatte Recht gehabt, gestand er
sich ein. Sie hätten nicht kommen sollen. Nicht in diese Stadt, und
erst recht nicht zurück in dieses Gasthaus.
Aber der gefährliche Moment ging vorüber. Der Zecher senkte
endgültig den Kopf und zog sich wie ein geprügelter Hund zurück,
und auch Abu Dun beließ es zu Andrejs Verwunderung bei einem
abschließenden, verächtlichen Verziehen der Lippen und einem halblaut gemurmelten Wort in seiner Muttersprache, das nicht einmal
Andrej verstand.
Andrej atmete auf, als sie den freien Tisch erreichten und sich setzen konnten. Langsam kamen die Gespräche an den anderen Tischen
wieder in Gang, aber die Stimmung blieb gedrückt. Zwar tat Andrej
so, als merke er es nicht, aber ihm entgingen keineswegs die ängstlichen, zum Teil auch neugierigen Blicke, die in ihre Richtung geworfen wurden. Die eine oder andere Hand lag in der Nähe eines
Schwertgriffs oder eines Dolchs, und in dem einen oder anderen Augenpaar loderte Zorn, der nur mühsam von Furcht im Zaum gehalten
wurde.
»War das nötig?«, fragte er scharf, aber dennoch so leise, dass niemand außer Abu Dun die Worte verstehen konnte.
»Was?«
»Stell dich nicht dumm!«, schnappte Andrej. »Bist du auf einen
Kampf aus?«
»Seltsam«, antwortete Abu Dun in nachdenklichem, aber auch
leicht spöttischem Ton. »Aber ich hatte den Eindruck, dass dieser
Trunkenbold angefangen hat.«
»Du weißt ganz genau, was ich meine«, sagte Andrej. »Ich…«
Abu Dun brachte ihn mit einem warnenden Blick zum Verstummen, als Malik, der Wirt des Gasthauses, von der Theke zu ihnen
herüberkam. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann mit einem stets
griesgrämig wirkenden Gesicht, doch Andrej hatte ihn in den vergangenen Tagen gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass er
gern lachte, auch wenn er in Zeiten wie diesen nur noch wenig Anlass dazu fand. Wie immer hatte er eine speckige Lederschürze umgebunden, die mindestens drei Nummern zu groß war und um seinen
Körper schlotterte. Über die linke Schulter hatte er ein schmutziges
Tuch geworfen. In den Händen hielt er einen Weinkrug und zwei
Becher, die er mit einigem Getöse vor ihnen auf dem Tisch ablud.
»Allmählich beginne ich mich zu fragen, ob es wirklich eine so gute Idee war, Euch Quartier zu gewähren«, brummte er verdrossen,
doch in seinen Augen blitzte der Schalk. »Ihr habt Euch heute ziemlichen Ruhm erworben - wenn auch einen äußerst zweifelhaften.«
»Es wird viel Unsinn erzählt«, antwortete Andrej.
»Sicher, und ich gebe auch nicht viel auf solches Geschwätz, obwohl es zu meinem Geschäft gehört. Die anderen Gäste fürchten
Euch, aber ich glaube, dass einige auch nur gekommen sind, um
Euch zu sehen. Es wird sich zeigen, ob die Angst oder die Neugier
überwiegt, und dann entscheide ich, ob Ihr hier bleiben dürft oder ob
ich Euch auf die Straße setze.«
»Und ich entscheide, wie viel wir verlangen, wenn wir bleiben«,
antwortete Andrej.
»Ihr wollt etwas verlangen?«
»Du hast es doch selbst gesagt«, schloss Andrej todernst. »Die
Hälfte der Gäste ist wahrscheinlich nur hier, um uns zu begaffen. Das
bedeutet, du machst den doppelten Umsatz. Ich meine, da steht uns
ein fairer Anteil zu, oder?«
Der Wirt schnitt eine Grimasse und machte ein schnalzendes Geräusch.
»Vielleicht solltest du auf manches Geschwätz doch mehr geben
und deine Zunge besser im Zaum halten, sonst könnte ich sie dir herausreißen und verschlingen«, grollte Abu Dun. Er funkelte Malik
düster an und zauberte dann das liebenswürdigste Lächeln auf sein
Gesicht, das man sich nur denken konnte. »Aber wahrscheinlich wäre sie ebenso ungenießbar wie das Zeug, das du uns als Essen servierst.«
Malik lachte und kehrte zur Theke zurück. Andrej wartete, bis er
sich außer Hörweite befand, dann beugte er sich vor. »Genau das
habe ich gemeint«, sagte er in leisem, gleichzeitig vorwurfsvollem
Ton. »Glaubst du mir jetzt, dass wir zu viel Aufsehen erregen?«
»Diese Dummköpfe sollten froh sein, dass wir ihnen helfen.« Abu
Duns Gesicht verfinsterte sich schlagartig. »Ohne uns wäre die Stadt
schon heute gefallen.«
»Ja, es ist nicht zu übersehen, wie froh sie über unsere Anwesenheit
sind«, seufzte Andrej. Er warf einen Blick in

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