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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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murmelte Leo verlegen und wurde schon wieder rot.
    »Es muss dir nicht leidtun, er ist schon vor meiner Geburt gestorben.« Leo schaute nicht erfreuter. »Ich hab ihn nicht gekannt und er mich auch nicht«, versuchte Helen noch etwas Tröstliches nachzuschieben.
    »Das ist ja furchtbar für euch beide!« Leo blieb stehen, wollte seiner Trauer über Helens schweres Leben körperlich Ausdruck verleihen. Helen bereute ihre Lüge, die Leo offensichtlich stärker zusetzte, als es die Wahrheit getan hätte.
    »Nein, er ist gar nicht gestorben. Er ist der Wind.«
    Bei dieser Behauptung sammelte sich Leo schlagartig wieder. »Kann nicht sein«, stammelte er.
    »Was?«
    »Der Wind als Vater? Das kann rein biologisch nicht sein.«
    »Das weiß ich auch, aber so sagt es eben meine Mutter. Sie meint das eher metaphorisch. Weißt du, was
metaphorisch
bedeutet?«
    »Bild«, antwortete Leo beleidigt.
    »Ja, in etwa. Meiner Mutter gefallen Bilder. Je kitschiger, desto lieber. Vieles, was sie sagt, muss man anders verstehen.«
    »Ja und? Was ist jetzt mit deinem Vater?«
    »Ich kenne ihn nicht und weiß nichts von ihm, also habe ich keinen Vater. Meine Mutter hat früher in einer Kommune gelebt – weißt du, was eine Kommune ist?«, fragte sie genervt, schließlich hätte sie sich ihre familiäre Gründungslegende gerne erspart. Leo nickte, hatte aber keine konkrete Vorstellung. »Jedenfalls hat sich dort die kosmische Energie der Liebe gebündelt und meine Mutter durch den Wind befruchtet.« Helen versuchte überlegen dreinzuschauen, als wäre ihre Familiengeschichte zumindest so normal wie die der Triletzkys.
    »Helen statt Helena, Mutter Esoterikerin, Vater kosmischer Wind, wow, du hast gewonnen.« Leo ging still neben ihr zur U-Bahn-Station. Sie würden drei Stationen gemeinsam fahren, dann musste er aussteigen. »Darf ich dich und deine Mutter mal besuchen?«, fragte er. Es war klar, wem seine Faszination galt.
    »Gerne, aber dann will ich auch deinen Vater mit seinem Darmabflussreiniger kennenlernen.«
    »Geht in Ordnung.« Beide schauten einander an und lächelten. »Vielleicht steige ich morgen früh genau in deine U-Bahn ein?«, meinte er.
    »Ich sitze im ersten Waggon«, sagte Helen. Nach kurzer Bedenkzeit fügte sie hinzu: »Wenn du nicht da bist, steige ich aus und warte auf dich, okay?« Leo wurde wieder rot und Helen merkte, dass sie seine glatten Jungenwangen mit dem rosigen Schimmer und den gesenkten Augenlidern mochte.
    Das Erste, was Leo beim Betreten von Helens und Ledas Wohnung auffiel, war die für ihn ungewohnte Farbenpracht. Derart viel Orange, Gelb und Rot auf sechzig Quadratmetern hatte er selbst in seinem Privatkindergarten nicht gesehen. »Deshalb trägt sie am liebsten graue Hemden und diese komischen Anzughosen«, dachte er schlagartig, als sich Leda vor den in warmen Tönen gehaltenen Vorzimmerhintergrund schob. Hennarotes Haar, Halsketten aus Glasperlen, ein indianisches Ledertäschchen vor ihrer Brust. Ein pinkfarbener BH schimmerte durch die leichte Baumwollbluse. An ihrem weitschwingenden Rock im Blütenmuster waren Glöckchen befestigt, die bei jedem Schritt, den sie auf Leo zu tat, klingelten.
    »Komm herein, Leopold.« Leda machte eine Handbewegung, die ihn ins Wohnzimmer ziehen sollte.
    »Danke, Frau Cerny, für die Einladung«, sagte er höflich und überreichte ihr einen Blumenstrauß.
    »Oh, sehr aufmerksam.« Sie nahm das Geschenk entgegen und ging damit in die Küche.
    »Hallo!«, hörte er Helen aus ihrem Zimmer rufen. Kurz danach erschien sie im Türrahmen. »Schön, dass du da bist«, sagte sie und winkte ihn zu sich. Er ging am Wohnzimmertisch vorbei, der mit einer Jause gedeckt war. Dinkeltaschen, Buchweizenblinis, Erdbeermarmelade und Haferbrei mit Trockenfrüchten und gehackten Walnüssen.
    »Alles selbst gemacht, Leopold / mit Liebe aufgetankt«, meinte Leda, die ihn von der Küche aus beobachtete. »Greif zu / schöpfe aus dem Vollen / das Leben bietet Freude in Hülle und Fülle.«
    Leo schaute Helens Mutter verdutzt an. Die rothaarige Frau in ihrer bunten Umgebung war trotz Helens ausführlicher Schilderungen überraschend irritierend.
    »Komm!«, rief Helen und drehte sich in ihr Zimmer. Leo folgte ihr mit hochrotem Kopf. Helen schloss die Tür hinter ihm. »Fühl dich wie zuhause. Nein, besser!«, forderte sie ihn auf, aber er blieb befangen stehen und traute sich nicht weiter.
    Ihr Zimmer war so anders, als er erwartet hatte. Es war nicht so wie die Mädchenzimmer, die er von

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