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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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ihre Zukunft gespäht. Von dem, was sie soeben erlebt hatte, würde noch mehr in der Schachtel auf sie warten.
    Sie wusste zwar nicht, was Anton in Rage versetzt hatte, aber es durfte sich auf keinen Fall wiederholen. Es müsste einfach alles so sein, wie Anton es wünschte. Dafür würde sie Sorge tragen. Damals verfiel Erna auf den heimtückischen Wahn, für Antons Wohl verantwortlich zu sein. Es war ihre Aufgabe, alles perfekt zu machen. Aber wie umsichtig sie sich auch über die Jahre hinweg bemühte, Anton fand stets eine Kleinigkeit, die nicht passte, die ausreichte, um seine angespannte Stimmung zur Explosion zu bringen. Bei ihren Eltern beklagte sie sich oft über Antons Wut, verzweifelt wie ein Mädchen, dem man die Sandburg zerstört hatte. Jedes Mal lief ihr schwarzer Kajal über die Wangen und hinterließ abstrakte Malerei in Ernas hübschem Gesicht. »Cholerisch is er«, meinte ihre Mutter, »dem gehören die Flügel gestutzt, dem Herrn Schwiegersohn.« - »Ihr werds euch schon wieder vertragen«, sagte ihr Vater dazu.
    »Ich schmeiß euch alle raus! Ich hätt das schönste Leben, wenn ich eure angfressenen Gsichter nicht sehen müsst!«, tobte Anton weiter. Das Szegediner Gulasch auf Hildes Teller war nicht weniger geworden. Erna hatte gleich gewusst, dass dieses Essen wieder eine Katastrophe werden würde. Keiner Fünfjährigen schmeckte Paprikakraut. Aber Anton hatte es sich gewünscht, und Erna nichts dagegen gesagt. Sie schwieg auch jetzt. Sie hatte gelernt, dass Antons Zorn am schnellsten verflog, wenn sich alle duckten und still verhielten. Ausharren. Den in seiner Unberechenbarkeit berechenbaren Angriff über sich ergehen lassen. Wie einst im Luftschutzkeller. Und genau wie damals gab es dann irgendwann Entwarnung.
    Erna schaute zu ihrer Tochter. Die stocherte traurig und verängstigt im Gulasch herum. Erna erinnerte sich an die Worte ihrer Mutter: »Du brauchst dir des net gfallen lassen. Ziag zu uns.« Aber wie hätte sie das mit Hilde und ihren Eltern in der kleinen Substandardwohnung aushalten sollen? Wovon hätten sie leben sollen? Erna hätte wieder in der Schuhfabrik akkordarbeiten müssen. Etwas anderes hatte sie nicht gelernt. Der Traum vom Leben als Mannequin war verflogen. Auf Antons Drängen hin hatte sie das Angebot, bei
Adlmüller
Kleider vorzuführen, ausgeschlagen. Er würde genug verdienen, sie könnte zuhause bleiben. Sie sollte froh sein, nicht arbeiten zu müssen, andere würden sich das wünschen, hatte er gesagt.
    »Ich hackel die ganze Wochen wie ein Deppata, und das is der Dank dafür.« Antons Teller war leer, doch sein Gesicht verriet, dass dieses Essen noch lange nicht vorbei war. Erna wich seinem Blick aus. Ihre Ohren folgten der wohlbekannten Tonspur. Sie war müde, durch und durch müde und dieser Szenen überdrüssig. In diesem Film wollte sie nicht länger mitspielen. Aber sie glaubte, von ihrem Mann abhängig zu sein.
    »Du bist den ganzen Tag zhaus und hast das schönste Leben. Aber du kannst das gar nicht schätzen. Wenn ich nicht wie ein Irrer hackeln tät, würden wir wie deine Eltern in einem alten Loch hausen, mit Klo am Gang und Möbeln aus Holzkisten.«
    Hätte Antons Stimme Ernas Gehirntätigkeit ein bisschen weniger gelähmt, sie hätte womöglich auch
seine
Abhängigkeit von ihr bemerkt. Dass sie ihm die Wohnung instandhielt, für ihn kochte, die Kleidung reinigte, der lustige Aufputz in seinem Leben war. Sie hätte ihre Angst überwinden und ihn zur Rede stellen können. »Was ist los mit dir?«, hätte sie fragen können. »Warum kann dich ein Mittagessen so in Rage versetzen?« Vielleicht wäre ihm dann bewusst geworden, dass ihm das Gefühl, allein für seine Familie verantwortlich zu sein, zu viel war. Dass er sich bloß
einbildete
, immer zu geben und nichts dafür zu bekommen. Dass alles so sein musste, wie er es sich vorstellte, nur um die einst empfundene Hilflosigkeit aus seinem Leben zu verbannen. Aber Erna sagte nichts. Denn bisher war jeder Versuch, sich ihm zu widersetzen, gescheitert und hatte sie noch demütiger, kleinlauter und abhängiger zurückgelassen. Anstatt ihm zu sagen: »Anton, alles ist wunderbar, nur du mit deinem Geschrei zerstörst es«, hörte sie seinen Worten zu.
    »Du Trampel bist doch unfähig für alles. Das Kind gerät ganz nach dir. Die weiß doch gar nicht, wie gut es ihr geht. Die hat doch noch nie Hunger leiden müssen! Die hat immer ein Dach überm Kopf ghabt. Aber ewig nur undankbar sein.« Erna schwieg.
    Anton

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