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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Sie das Ganze einfach«, bat sie ihn.
Sanft berührte sie sein Gesicht. »Hören Sie«, versuchte sie zu scherzen, »Sie
werden es nicht glauben, aber so was passiert mir ständig.«

[277]  21
    Amateurfilme
    Kent ließ den Projektor laufen. Es war eine ziemlich schlechte
Kopie des Originals, das Tulpen grob zusammengeschnitten hatte, so daß sie
wenigstens das Konzept erkennen konnten.
    Trumper ließ
das Tonbandgerät laufen. Seine Bänder waren ebenso grob zusammengestöpselt wie
die Filmstreifen; sie liefen nicht synchron, und ständig mußte er Kent bitten,
den Film etwas schneller oder etwas langsamer laufen zu lassen, oder ihn ganz
anzuhalten, und dauernd werkelte er an seinen Bändern herum. Alles in allem war
dies die amateurhafteste Sache, in deren Genuß Trumper gekommen war, seit er
mit Ralph zusammenarbeitete. Die meisten Kameraaufnahmen waren von Hand
gehalten worden, genauso verwackelt wie Außenübertragungen in den Nachrichten,
und es war größtenteils zunächst ein Stummfilm; der separat aufgenommene Ton
würde später unterlegt werden. Ralph hatte es praktisch aufgegeben, mit
Synchronton zu arbeiten. Auch der Film selbst war unter seinem Niveau – zu
schnell, grobes Zeugs –, und Ralph, der normalerweise ein Händchen fürs Licht
hatte, hatte die Hälfte davon über- oder unterbelichtet. Auch war Ralph sonst
ein Genie in der Dunkelkammer und verfügte über eine Engelsgeduld, doch einige
Streifen sahen aus, als habe jemand mit der Kombizange daran gewerkelt und den
Film mit Chemikalien behandelt, die eher zur Rostentfernung als zur
Filmentwicklung erfunden worden waren.
    Ralph, der
außergewöhnliche Filmkünstler, hatte all das absichtlich getan; ja, einige der
Löcher im Streifen waren sogar mit einem Taschenmesser hineingeschnitten
worden. Da seine Dunkelkammer staubfrei war, mußte Ralph mit dem Film die
Straßen [278]  von halb New
York gefegt haben, um ihn so zu verhunzen. Sollte der Film jemals in den
Verleih kommen, würde er es vielleicht zur Auflage machen, ihn durch eine
kaputte Plastiklinse vorzuführen.
    Als Packer den
ganzen grobgeschnittenen Anfang noch mal durchgehen wollte, hatte Trumper die
Schnauze voll.
    »Sieht gut
aus«, meinte Ralph. »Sieht schon besser aus.«
    »Soll ich dir
sagen, wie es klingt?« fragte Trumper und schlug auf die Tasten des
Tonbandgeräts. »Klingt, als sei es in einer Konservenfabrik aufgenommen. Und soll
ich dir sagen, wie es aussieht? Sieht aus, als hätten sie dir das Stativ
geklaut und als ob du so arm wärst, daß du deinen Belichtungsmesser versetzen
mußtest, um in Hongkong das allerbilligste Filmmaterial zu kaufen.«
    Tulpen hustete.
    »Es sieht aus«,
fuhr Trumper fort, »als wäre deine Dunkelkammer ein fensterloser Raum, den sie
mit einem Sandstrahlgebläse gereinigt haben.«
    Nicht einmal
Kent gab einen Laut von sich. Wahrscheinlich gefiel ihm das Ganze auch nicht,
doch er hatte großes Vertrauen in Ralph. Wenn Ralph ihm gesagt hätte, er solle
eine Rolle Geschenkpapier in die Kamera einlegen, hätte Kent es versucht.
    »Sieht aus wie
ein Amateurfilm«, sagte Trumper.
    »Es ist ein Amateurfilm, Thump-Thump«, entgegnete Ralph. »Können wir uns den Streifen
nicht noch mal ansehen?«
    »Wenn das Band
es überhaupt mitmacht«, sagte Trumper. »Ich sollte eine Kopie davon machen. Es
hat mehr Löcher als ein Lochstreifen. Es ist so stabil wie Schamhaar.«
    »Nur noch ein
einziges Mal, Thump-Thump«, bat Ralph.
    »Wenn ich es
noch ein einziges Mal anhalten muß«, entgegnete Trumper, »zerfällt es in
Stücke.«
    »Dann lassen
wir es eben ganz durchlaufen, okay, Kent?« sagte Ralph.
    [279]  »Der
Film könnte auch reißen«, meinte Kent.
    »Laßt es uns
doch mal versuchen, ja?« sagte Ralph mit seiner Engelsgeduld. »Ein letztes
Mal.«
    »Da hilft nur
noch Beten«, meinte Trumper. Tulpen hustete noch einmal. Das sollte keine
Anspielung sein, sie hatte sich einfach nur erkältet. »Fertig, Kent?« fragte
Trumper.
    Kent ließ den
Film bis zum ersten Bild vorlaufen, und Trumper spulte das Tonband bis an die
richtige Stelle vor. »Fertig, Thump-Thump«, sagte Kent.
    Dieser Name war
ausschließlich Ralph vorbehalten; Trumper konnte es nicht leiden, von diesem
Scheiß-Kent Thump-Thump genannt zu werden. »Was hast du gesagt, Kent?« fragte
er ihn.
    »Hä?« fragte
der zurück.
    Ralph erhob
sich, und Tulpen legte die rechte Hand in Trumpers Schoß, beugte sich vor und
drückte mit der linken auf die Taste PLAY . »Los, Kent«, sagte sie.
    Der Film

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