Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Schere!«
brüllte ich. »Um Himmels willen, Big. Bitte! Ich versaue sonst alles!«
»Du
Scheißkerl!« schrie sie, und Colm floh in die Diele zu seinem Freund, der
friedfertigen Ente.
Ich fürchtete,
Biggie würde mir auf den blutigen Füßen herumtrampeln, sobald es mir wieder
besserging, und stürzte aus dem Bad, zuerst auf den Fersen, um mich dann, etwas
bequemer, auf Händen und Knien weiterzubewegen, wobei ich den aufgeblähten
Gummi vorsichtig mit einer Hand festhielt. Colm drückte die Ente an sich, fest
entschlossen, sie nicht seinem dräuend sich nähernden Vater zu überlassen.
Als ich kurz
vor der Küchentür angelangt war, mitten im Flur, klopfte jemand an die Haustür
und rief: »Eilpost! Ein Einschreiben für Sie!«
»Kommen Sie
rein!« brüllte Biggie aus dem Bad.
Der Postbote
kam herein und winkte mit einem Brief. Er stand so plötzlich im Flur, daß Colm
aufschreckte und sich schreiend mit der Ente im Schlepptau zurückzog. Ich kroch
unter Schmerzen auf den Knien weiter in Richtung Küchentür, hielt dabei immer
noch meinen Ballon fest und rollte in die Küche außer Sicht.
»Eilpost! Ein
Einschreiben für Sie!« wiederholte der Postbote schlapp – er hatte nicht damit
gerechnet, mitten in eine Szene zu platzen, für die er ein paar passendere
Worte hätte parat haben müssen.
Ich lugte aus
der Küche. Offensichtlich stellte sich der Postbote vollkommen blind. Biggie
stand jetzt am anderen Ende des Flurs und hatte scheinbar vergessen, daß sie
jemanden hereingebeten hatte; jedenfalls starrte sie den Postboten feindselig
an; sie schien irgendeine Verbindung zwischen ihm und meinem Jagdausflug zu
wittern.
[247] Selig
sind die Armen im Geiste. Der Postbote rief ein letztes Mal sein »Eilpost! Ein
Einschreiben für Sie!«, dann ließ er den Brief fallen und stürmte hinaus.
Colm schob die Ente vor sich her und krabbelte auf allen vieren
zu dem Brief hin. Noch eine Überraschung! Und Biggie, die wohl dachte, ich
hätte gleichfalls das Weite gesucht, brüllte: »Bogus!«
»Hier, Big«,
sagte ich und verzog mich ein Stück tiefer in die Küche. »Bitte sag mir, wo ich
die Schere finde.«
»Am Haken unter
dem Spülbecken«, antwortete sie mechanisch und fügte dann hinzu: »Hoffentlich
schneidest du dir das ganze Ding ab!«
Doch den
Gefallen tat ich ihr nicht. Als ich schreckensbleich über dem Spülstein zu schnipseln
anfing, sah ich, wie Colm an der Tür vorbeikrabbelte und Ente und Brief den
Flur entlangschob.
»Da ist ein
Brief angekommen, Big«, sagte ich matt.
»Eilpost! Ein
Einschreiben für Sie«, murmelte Biggie mit bleischwerer Stimme.
Ich spülte das
eklige Ding den Abfluß hinunter. Im Flur hörte ich Colm quietschen, als Biggie
ihm die Ente oder den Brief wegnahm. Ich schaute auf die übel zugerichteten
Zehen an meinem rechten Fuß und dachte: Wenigstens war es nicht dein Hals,
Risky Mouse. Jetzt brabbelte Colm freundlich, unterhielt sich offensichtlich
mit den Überresten der Ente. Ich hörte Biggie den Brief aufreißen. Ohne ihren
ausdruckslosen Tonfall auch nur im geringsten zu ändern, sagte sie: »Er ist von
deinem Vater, dem Arsch…«
Was ist bloß aus dir geworden,
Harry Petz? Lassen sie dich, nach deinem glänzenden Versuch, jetzt nur noch auf
einem festgeschraubten Stuhl sitzen? Hättest du etwas dagegen, Harry, wenn ich
mir deinen rennstreckengetesteten Superstuhl ausleihe? [248] Würdest du es als Plagiat bezeichnen, wenn ich deinen Stuhl mit
den gutgeölten Rollen nehme und dieses Fenster im vierten Stock und den
darunterliegenden Parkplatz anpeile?
[249] 19
Axelrulf bei den Grethen
Es gibt eine Passage in Akthelt und
Gunnel, wo die subtilen Tiefen
mütterlicher Machenschaften ergründet werden. Akthelt möchte seinen jungen Sohn
Axelrulf in den Feldzug gegen die kriegerischen Grethen mitnehmen. Zu dieser
Zeit ist der Kleine erst sechs, und Gunnel ist erschüttert, daß ihr Mann sich
als derart hartherzig erweist. »Da blott pattebarn!« ruft sie aus. »Das kleine Kind!«
Geduldig fragt
Akthelt sie, wovor genau sie denn Angst habe. Daß Axelrulf von den Grethen
erschlagen werde? Wenn ja, sollte sie sich doch bitte daran erinnern, daß die Grethen
immer verloren. Oder betrachtete sie die Gespräche und Gewohnheiten der
Soldaten als zu rauh für den Jungen? Sie sollte doch wenigstens etwas Vertrauen
in das Feingefühl ihres Gatten haben; der Kleine würde von derartigen Exzessen
verschont bleiben. »Dar ok ikke
tu frygte!« (»Da
gibt’s nichts zu
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