Die wilden Jahre
er wußte, daß im Aschenbecher ein Mikrophon und im Aktenschrank ein Tonband lauern konnte, das sich durch eine Taste unter dem Schreibtisch einschalten ließ. Aus den Augenwinkeln verfolgte Guido, wie Rothauch in der Tat auf den Knopf drückte; er verbiss sich ein Lächeln.
»Sie haben einen recht farbigen Bericht über Bonn geschrieben«, begann der Staatsanwalt, »hübscher Stil und viele Informationen. Ich nehme an, daß Sie Ihre Eindrücke in der Bundeshauptstadt direkt gesammelt haben?«
»Diese Annahme trügt Sie nicht.«
»Und zwar wohnten Sie …« Rothauch reichte ihm die Fotokopie des Hotelanmeldescheins. »Doch sehen Sie selbst.«
Der Reporter warf einen Blick darauf, bestrebt, sich so unbeeindruckt wie möglich über die gute Vorarbeit des Staatsanwalts zu geben.
»Sie lernten dort einen gewissen Wirth kennen …«
»Möglich«, entgegnete Guido, ohne sich an diesen Mann erinnern zu können. »Ein Journalist lernt viele Menschen kennen: Politiker, Staatsanwälte, Huren, Verbrecher und noch andere Zeitgenossen.«
»Ich weiß«, erwiderte Rothauch, »daß die Verhaftung Sie erregt und die Reise strapaziert hat – deshalb können Sie mich bei schlechtestem Willen nicht aus der Ruhe bringen.« Er suchte in seinen Unterlagen. »Bei diesem Wirth handelt es sich um einen Regierungsamtmann, der einer Unterschlagung, der Untreue im Amt, der schweren passiven Bestechung und des Landesverrats überführt ist.« Er nahm eine weitere Fotokopie zur Hand. »Dieser Mann, ein Spieler übrigens, hat gestanden, von Ihnen zehntausend Mark für die Überlassung geheimer Dokumente eines wirtschaftsrechtlichen Ausschusses erhalten zu haben.« Er übergab dem Reporter die Fotokopie, einen Teil der Aussage: »Doch lesen Sie selbst.«
»Lächerlich!« erwiderte Guido, ohne das Blatt anzusehen. Er war zornig, aber auch besorgt; zwar traute er einem Mann vom Schlage Rothauchs vieles zu, doch nicht, daß er mit fingierten Indizien arbeiten würde; er gestand sich verdrossen, daß er doch eine bessere Vorstellung vom Rechtsstaat habe, als er derzeitig zugeben mochte.
»Auszüge aus diesen Dokumenten sind in Ihrem Bericht Bonn intim wörtlich enthalten. Ein Journalist, der sie verwandte, muß ein Hellseher sein – oder sich schriftliche Unterlagen verschafft haben.« Er betrachtete Guido. »Auf strafbare Weise.«
Guido gestand sich, daß Rothauch recht hatte, ohne sich erklären zu können, wie er in diese Falle geraten war.
»Wenn Sie mir sagen, wie Sie an die Dokumente gekommen sind, erwirke ich für Sie die Aufhebung des Haftbefehls.«
Wirth? überlegte der Reporter. »Wer ist dieser Wirth?« fragte er.
»Sagte ich Ihnen doch bereits: ein ungetreuer Regierungsbeamter.«
»In Haft?«
»Wie Sie.«
Wo ist der Fehler? fragte sich der Reporter. »Das ist doch ganz einfach«, sagte er dann, »Sie stellen mich diesem Mann gegenüber.«
»Warten Sie es ab«, erwiderte Rothauch. »Wir haben ja Zeit, und ich kann nicht hexen. Wirth wird noch in Karlsruhe gebraucht, wo es um größere Dinge geht.«
»Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher ich zehntausend Mark gehabt haben soll?«
»Sie sind nicht dumm, Brenner«, entgegnete der Staatsanwalt. »Aber bei aller Bescheidenheit: wir auch nicht.« Er lächelte. »Wir sind der Sache nachgegangen, Ihre Zeitung gab Ihnen kein Geld für eine Bestechung.« Wieder schob er Guido, der merkte, wie ihn das Verhängnis einkreiste, ein Blatt zu. »Bitte lesen Sie die Erklärung Ihres Chefredakteurs. Von Ihren Eltern werden Sie das Geld auch nicht bekommen haben«, fuhr Rothauch fort, »und auf der Bank …« Er wies eine Fotokopie des Kontoauszugs vor, »hatten Sie es auch nicht …«
»Und im Sparstrumpf auch nicht«, flüchtete Guido in den Spott.
»Also?« fragte der Staatsanwalt.
Also will man es Martin Ritt in die Schuhe schieben, dachte Guido, darum geht es. Man schlägt den Bauern und meint den König, aber sie sind nur den Umgang mit kleinen Ganoven gewöhnt. Er wußte, daß er aussagen konnte, wie er tatsächlich, zufällig und flüchtig, einige Dokumente eingesehen hatte, aber dadurch würde er einen Abgeordneten, der ihm vertraut hatte, der Fahrlässigkeit bezichtigen und ihn lächerlich machen. Eine solche Lösung ging gegen seinen persönlichen Anstand – aber mußte er, da hier offensichtlich Ritts Feinde mit unerklärlichen Zufällen zusammenwirkten, nicht dennoch sprechen? Doch dann betrachtete Guido den Staatsanwalt. Sinnlos, dachte er, man würde ihn
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