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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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einem internationalen Publikum, von der Halle aus konnte man zu seinem Zimmer gelangen, ohne an der Portierloge vorbeizumüssen, und da von Guido gestern abend diese günstige Möglichkeit genutzt worden war, hatte er eine anregende Nacht mit einer aufregenden Blondine verbracht.
    Die Musik im Radio war zu Ende. Die Frühnachrichten füllten den Morgen mit Unrat: Krise in Südostasien, Flugzeugabsturz, Skandal um den Flüchtlingsminister, Kindsentführung – als sich der Kriminalkommissar Krawuttke, begleitet von einem Münchner Kollegen, mit der Frage an den Portier – die Erkennungsmarke vorweisend – wandte, in welchem Zimmer der Hotelgast Brenner wohne.
    Der Hotelmann gab Auskunft; nach dreißig Jahren im Dienst der Diskretion zeigte er auch keine Überraschung, als ihm eröffnet wurde, bei Anrufen für Brenner müsse geantwortet werden, der Herr sei ausgezogen, da niemand von der Festnahme erfahren dürfe.
    Guido lag auf dem Rücken, rauchte auf nüchternen Magen und starrte an die Decke. Das Mädchen neben ihm, ein kaltschnäuziges, heißblütiges Geschöpf mit langen zerwühlten Haaren, betrachtete ihn und fragte: »Träumst du?«
    »Von dir, Lydia.« Er betrachtete ihr hübsches Gesicht, verfolgte die träge Bewegung, mit der sie sich umdrehte und nach seiner Zigarette griff. »Himmel«, sagte er lachend, »wenn ich dich so ansehe, ist mir schon wieder so …«
    »Dem ließe sich abhelfen.«
    »Wenn ich nicht einen kleinen Nebenberuf hätte«, erwiderte er, »aber heute kommt ein Abend und morgen ein neuer Tag, und auch übermorgen …«
    »Du bist ja ein Romantiker«, antwortete Lydia.
    Der Sprecher hatte das Mikrophon für die Zahnpasta des Werbefunks geräumt, als es an die Tür klopfte, an der viersprachig das Schild hing: »Bitte nicht stören.« Guido hielt es für ein Versehen, bis er es ein zweites Mal vernahm, lauter, drängender.
    »So klopft nur der Gerichtsvollzieher«, sagte der Reporter lachend, »oder die Polizei.« Er hatte keine Vorahnung, er spaßte bloß, als er aufstand und sich den Bademantel über die nackte Haut warf. »Und diese Pflichtmenschen haben keine Lebensart.« Er ging zur Tür. »Da ich gegenwärtig keine Schulden habe, kann es eigentlich nur …« Er drehte den Schlüssel um, streckte den Kopf durch den Türspalt und sah zwei Männer.
    »Kriminalpolizei«, sagte der eine Beamte. »Sind Sie Herr Brenner?«
    »Wer sonst?« brummte Guido.
    Der Beamte kam ihm bekannt vor, und sein hessischer Dialekt fiel ihm sofort auf. Guido war hellwach, denn im Gegensatz zu andern Überrumpelten verschwendete er an die Hoffnung, es müsse ein Irrtum vorliegen, nicht einen Gedanken. Sich der Gefahr bewußt, mußte er trotzdem grinsen, als er sich die Gesichter der Polizisten vorstellte, wenn sie bei der zu erwartenden Haussuchung auf die Vorarbeit seiner Serie über die deutsche Justiz stießen: über gefährliche Praktiken, über Diener des Rechtsstaates, die früher dem Unrecht gedient hatten, und über die Missstände der Voruntersuchungen.
    »Ich muß Sie leider festnehmen«, sagte der Beamte.
    »Was heißt hier festnehmen?« fragte Guido.
    Der Kriminalkommissar zog ein Schreiben aus der Tasche; bevor es Guido gelesen hatte, verbesserte er Krawuttke: »Verhaften, also …« Er überflog es, sah, daß er hinreichend verdächtig sei, sich des Delikts der aktiven Bestechung nach Paragraph 333 des StGB vergangen zu haben.
    Bonn intim, dachte er, die Revanche. Ich unterschätzte sie, sie haben keine Zeit verloren. Aber es kann mir nicht viel passieren, strafrechtlich schon gar nicht, überlegte Guido, schließlich habe ich nur mit den Augen gestohlen und mit einigen Schnäpsen bezahlt; doch peinlich ist es immerhin.
    »Ich nehme an, daß Sie keinen Wert darauflegen, hier im Hotel aufzufallen …«
    »Wirklich nicht«, entgegnete Guido, »Sie erlauben, daß ich mich anziehe?«
    »Bitte«, antwortete der Mann, »aber Sie gestatten, daß ich …?«
    »Ich kann Sie nicht hereinbitten. Ich habe Besuch.« Lächelnd setzte er hinzu: »Damenbesuch.«
    »Tut mir leid«, entgegnete der Beamte und folgte ihm. Auch der zweite Polizist schob sich in den Raum.
    Lydia sah ihnen gleichgültig entgegen.
    »Die Sache ist die«, erklärte ihr Guido, scheinbar verlegen, »um es kurz zu machen: die Herren sind Polizisten.«
    »Du Verbrecher«, erwiderte Lydia ironisch; Guido sah, daß sie nicht erschrak und angestrengtes Nachdenken hinter gespielter Ironie verbarg, entschlossen, ungebetenen Besuchern wie

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