Die Wildkirsche. Erotischer Roman
in bester Redelaune und schloss einen Rundgang durchs Haus hintenan. Lorraine war beeindruckt. Die Villa war mit den teuersten Möbeln ausgestattet, die Fenster waren groß, sodass genügend Licht in die einzelnen Räume strömte, die Architektur war modern.
»Dies sind die Gemächer von Maman und Papa. Sie sind heute zu einer anderen Gesellschaft geladen und werden nicht vor Montag wieder hier sein.«
Das klang vielversprechend. Also würden nur Ducat, ihr Vater, eine Handvoll Diener und sie selbst in diesem atemberaubenden Haus nächtigen. Wenn ihr Vater erst einmal schlief, war er nicht so schnell wieder wach zu bekommen. Und die Diener ruhten in der unteren Etage. Wenn sie es geschickt anstellte, würde sie schon heute Nacht in Louis' Bett liegen. Ein Schauer jagte über ihren Rücken, als sie daran dachte. Was Julien, Etienne und ihre Geschlechtsgenossen konnten, konnte sie schon lange. Auch sie war in der Lage, Gefühl und Lust zu trennen! Dies würde sie heute unter Beweis stellen. Für sich selbst.
Wie es Ducat vorhergesagt hatte, trafen am Abend die Gäste ein. Es handelte sich um eine kleine Gesellschaft, die in der Sitzecke des Salons Platz fand und sich um den leicht verspätet eingetroffenen jungen Autor scharte. Die Damen trugen Perücken und prachtvolle Kleider, die Herren waren modisch und nicht minder edel ausgestattet. Lorraine fühlte sich wie ein graues Mäuschen in ihrer Gegenwart und bemerkte die abschätzenden Blicke, die ihr die jungen Mädchen zuwarfen, obgleich sie doch ihr bestes Kleid trug, das in Gagnion stets für Aufsehen gesorgt hatte.
»Es ist mir eine große Freude, Sie zu unserem heutigen Leseabend begrüßen zu dürfen. Seit wir uns das letzte Mal vor zwei Monaten hier trafen, ist so manches geschehen, von dem ich nun berichten möchte. Ich darf mit Freude verkünden, dass wieder einige Bücher aus unserem Verlag erschienen sind und reißenden Absatz finden. Zum einen die philosophischen Gedanken ›Das Ich der Welt‹ des werten Jean Renaldo und zum anderen der lyrische Band ›Mondenklang‹ von Cornelis Duchantes, der sich heute Abend die Ehre gibt. Es ist mir nämlich gelungen, diesen begnadeten Autor zu einer kleinen Lesung in unserem Hause zu überreden. Applaus für den Meister.«
Die Damen jauchzten und klatschten, wie man es von ihnen erwartete. Auch die Herren hielten ihre Begeisterung nicht zurück und spendeten ebenso Beifall. Der Autor errötete und schien es vorzuziehen, sich hinter seinem Buch zu verstecken.
»Ich bitte nun um Ruhe«, sagte Louis und setzte sich neben Lorraine. Seine Hand rutschte verdächtig nahe an ihr Kleid.
Duchantes erhob seine Stimme. Sie war warm und sanft. Lorraine gefiel die Art, wie er das Gedicht vortrug. Fasziniert lauschte sie seinen Worten und merkte nicht, wie schnell die Zeit verging. Leidenschaftlich las er aus seinen Werken und zog damit alle in seinen Bann.
»Silbern schimmert der Mond. Nacht, oh grausame Nacht!« Ein Seufzen ging durch die Reihen.
Der Autor endete, klappte sein Buch zu und neigte sein Haupt. »Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit«, sagte er bescheiden.
Applaus schwoll an. »Ein Meisterwerk, das seines Gleichen sucht!« »Umwerfend!« »Es hat mich zutiefst berührt.«
»Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.«
Eine angeregte Diskussion entbrannte, in die sich auch Beaumont einmischte. Lorraine hingegen fand es sinnlos, über Reime zu diskutieren. Sie suchte Ducats Blick, doch schien auch er vollkommen gefangen von Duchantes Texten.
»Ist der Mond ein Symbol für die Weiblichkeit?«, fragte ein junger Geck.
»Den Gedanken hatte ich auch«, sagte ein anderer.
»Schreiben Sie gern über Frauen?«, fragte ein junges Mädchen und kicherte. Die anderen Frauen stimmten mit ein.
Gelangweilt erhob sich Lorraine und trat auf den Balkon, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Das Geschnatter dieser arroganten Pariser Gänse ging ihr auf die Nerven. Sie blickte über die Stadt und seufzte leise. Paris war atemberaubend. Ganz anders, als sie erwartet hatte. Wahrscheinlich hatte ihr Vater sie mit seiner negativen Meinung zu sehr beeinflusst, obgleich sie auch Wahrheit in seinen Worten fand. Die Pariser Damen waren tatsächlich genau so arrogant, wie er sie immer geschildert hatte. Lorraine ballte zornig die Hand zur Faust. Ihr Kleid war alles andere als billig! Es hatte seinerzeit ein Vermögen gekostet, als sie es mit sechzehn Jahren zum Geburtstag geschenkt
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