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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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in irgendeine dickflüssige warme Salbe tauchte. Wo auch immer sie seine Haut berührte, kribbelte es und wurde warm. Es fühlte sich angenehm reinigend an. Selbst seine Schürfwunden schmerzten nicht mehr so, wenn sie sie berührte.
    Also machte er die Augen zu und ließ sie machen. Dabei dachte er über alles nach, was passiert war. Die Gedanken schossen ihm durch den Kopf, verschiedene Bilder blitzten auf, so viele großartige Wunder, dass es schwer war, sich auf eines zu konzentrieren. Der Schrecken, den er verspürt hatte, als er von diesen Bäumen umzingelt war, die blinde Panik, die ihn klettern ließ, das Raunen und Rauschen, das wie eine Verschwörung der Bäume klang, ihn umzubringen … das alles wurde durch die Wunder, die er auf dieser Lichtung gesehen hatte und was Leysa ihm erzählt hatte, wieder ausgeglichen. So unglaublich und fantastisch ihre Geschichte auch war, war sie doch die einzige Erklärung für alles, was ihm hier widerfahren war.
    »Was hast du auf der Lichtung gemacht?«, wollte er wissen.
    »Mit dem Wald kommuniziert. Ich besitze viele der Fähigkeiten meines Vaters, aber als halber Mensch habe ich auch Bedürfnisse.«
    »Bedürfnisse?«
    »Diese Hütte, der Garten. Mein Vater muss nicht essen, ich schon.«
    »Ich hab dich gesehen … als Fuchs. Als Karibu.«
    »Noch eine von Leschijis Gaben. Er kann die Erscheinung von Tieren und Pflanzen nachahmen. Ich jedoch bin nichtnur Geist und Windhauch, sondern Fleisch und Blut, deshalb kann ich mich ganz in sie verwandeln und ihre Gestalt annehmen.«
    »Klingt unglaublich.«
    »Es ist sehr, sehr einsam.« Sie wandte den Blick ab und seufzte, als bedauerte sie, zuviel gesagt zu haben. Ich bin doch da , wollte Jack sagen, doch er konnte nicht. Wie könnte er einem Wesen wie Lesya wirklich Trost spenden? Sie sah so menschlich aus, doch sie war in Wahrheit etwas ganz anderes. Egal, wie menschlich ihr Aussehen, wie betörend ihre Wirkung und wie schön ihr Lächeln war, eine Frau war sie nicht. Was bist du eigentlich? , wollte er sie fragen, aber er konnte es nicht laut sagen. Er wollte ihre Gefühle nicht verletzen.
    Mein Wolf , dachte er, und einen Moment lang schlug sein Herz höher. War das möglich? War es diese wunderschöne Frau gewesen, die ihn die ganze Zeit draußen in der Wildnis begleitet hatte? Doch er machte die Augen zu und war sich sicher, sie war es nicht. Der Wolf war ganz anders gewesen, ganz anders als Lesya und umgekehrt. Er hätte es gemerkt. Wie er dort lag und ihren Duft einatmete, das war etwas, das er noch nie vorher erlebt hatte.
    »Ich kann’s dir zeigen«, sagte sie sanft.
    »Mir was zeigen?« Er öffnete die Augen und war wieder hingerissen von ihrem Anblick. Ein Lächeln breitete sich langsam in ihrem Gesicht aus. »Ja«, nickte sie, »Ja, ich kann’s dir zeigen!« Sie nahm seine Hände und zog ihn vom Bett. »Komm nach draußen, Jack! Komm mit!« Sie wirbelte herum und rannte zur Tür hinaus.
    Jack schwankte auf der Stelle, ihm wurde schwindlig. Ihre plötzliche Begeisterung wirkte jedoch ansteckend, er fühltesich plötzlich wieder wie neu belebt. »Was willst du mir zeigen, Lesya?«
    Sie stand in der Tür, die Sonne warf ihren Schatten von draußen in die Hütte. Jack stellte sich vor, wie dieser Schatten sich dehnte und verwandelte. In einen Bären, einen Fuchs, eine Schlange.
    »Ich zeige dir, wie du dem Ruf der Wildnis antwortest.« Damit war sie aus der Tür nach draußen verschwunden.
    Jack folgte. Lesyas Lachen lockte ihn weiter. Sie nahm ihn mit, neben ihr unter dem Apfelbaum zu sitzen, er roch den Duft seiner Blüten, was hier im Yukon eigentlich vollkommen ausgeschlossen war.
    »Das ist der Ruf der Kojoten«, sagte sie und machte einen Laut in ihrer Kehle, den kein Mensch zustande brächte. Beunruhigt wich Jack zurück. Doch als Lesya inne hielt, den Kopf neigte, und aus weiter Ferne eine Antwort kam, musste er lächeln.
    »Jetzt du«, sagte sie zu ihm.
    »Was, ich?«
    »Wieso nicht? Hier, ich helfe dir.« Sie schmiegte sich eng an ihn, berührte seine Kehle mit ihrer linken Hand und seine Brust mit ihrer rechten. »Der Ruf kommt von hier drin, in der Brust. Hol ihn durch deine Kehle nach oben, dreh den Kopf … etwa so … und lass es herausströmen, anstatt zu schreien. Versuch’s mal.«
    Jack versuchte es. Lesya drückte mit den Händen gegen seine Brust, bis zu seinem Hals, drehte seinen Kopf etwas und streichelte seinen Kehlkopf. Er spürte etwas in sich nachgeben, als öffnete sich eine Tür, dann

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