Die Wildrose
Zeichen hielt.
Sie hatte einen Plan ausgeheckt – einen schlauen, perfekten Plan. Den hatte sie sich ausgedacht, als sie Jennie zu Dr. Cobb brachte, und weiter ausgefeilt, nachdem sie Jennie vom Arzt nach Hause und ins Bett gebracht hatte. Mit einer Kanne Tee hatte sie sich an den Küchentisch gesetzt und die ganze Sache noch einmal sorgfältig durchdacht und auf Schwachpunkte überprüft, genau so wie sie es bei Madden und seinen Kumpanen gesehen hatte, wenn sie eine neue Schandtat ausheckten.
Nur dass es sich hier um keine Schandtat handelte. Bei diesem Plan würde niemand verletzt werden. Er hätte nur Positives zur Folge.
Jennie hatte ihr alles erzählt, nachdem sie, von Kummer und Laudanum benebelt, aus der Arztpraxis zurückgekommen waren. Von dem Unfall, der bedeutete, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Wie sie Seamus Finnegan kennengelernt, sich in ihn verliebt und ihn geheiratet hatte, ohne ihm die Wahrheit über sich zu sagen. Und von Willa Alden.
Josie wusste, ihr Plan würde gleichzeitig Jennies wie ihre eigenen Probleme lösen, aber es war ihr noch nicht gelungen, ihre Freundin davon zu überzeugen. Schon einmal hatte sie versucht, es ihr zu erklären, aber Jennie wollte in ihrer Verzweiflung nichts davon hören. Jetzt beschloss Josie, es noch einmal zu versuchen.
»Den schwierigsten Teil haben wir schon hinter uns, der Rest ist ein Kinderspiel«, sagte sie. »Dr. Cobb hält dich für Josie Meadows. Er hat alles aufgeschrieben und säuberlich in einer Akte abgelegt.«
Josie hatte bei Dr. Cobb das Reden übernommen. Sie erklärte ihm, ihre Freundin Mrs Meadows sei eine Woche zu Besuch in ihrem Cottage und habe plötzlich starke Schmerzen bekommen.
Dr. Cobb brauchte nicht lange, um Jennies schlimmste Befürchtungen zu bestätigen – dass sie ihr Kind tatsächlich verlieren würde. Er untersuchte sie nur oberflächlich, gab ihr Laudanum und sagte ihr, sie müsse sich in den nächsten Stunden auf Krämpfe und Blutungen einstellen, wenn sich der Uterus entleere. Dies sei zwar unerfreulich, aber durchaus nichts Ungewöhnliches, und sie würde im Lauf des Jahres sicher wieder schwanger werden.
»Wir müssen nur genau so weitermachen wie bisher«, sagte Josie.
»Aber wie denn? Ich habe das Baby verloren. Selbst wenn ich keiner Menschenseele davon erzähle, wird es jeder sehen. Weil mein Bauch nicht wächst.«
»Doch, das wird er. Weil du dir ein Kissen unter den Rock stopfen wirst.«
Jennie schüttelte den Kopf. »Josie, das funktioniert doch nie.«
»Nein, hör mir zu! Es wird funktionieren. Wir machen so etwas die ganze Zeit im Varieté. Als Gag. Ein Mädchen geht Hand in Hand mit einem Wüstling links von der Bühne ab und tritt von rechts heulend und mit dickem Bauch wieder auf. Du fängst mit einem kleinen Kissen an, das du im Lauf der Monate gegen immer größere austauschst. Ich zeig dir, wie man’s macht. Die einzige Schwierigkeit ist dein Mann. Wenn er was von dir will, musst du ihn abwehren. Du musst ihm sagen, dass du dich elend fühlst und dass es nicht gut fürs Baby ist. Anweisung vom Arzt.«
»Das wäre kein Problem«, antwortete Jennie bitter. »Mein Mann will nichts von mir.«
»Na schön. Dann wäre das geklärt. Du spielst die Nummer ein paar Monate, und wenn du eine Auszeit brauchst, kommst du hierher. In ein paar Monaten kommt mein Baby. Dr. Cobb bringt es zur Welt und stellt die Geburtsurkunde auf Finnegan aus. Überleg dir nur rechtzeitig einen Namen. Ich geb dir dann Bescheid, wenn’s bei mir so weit ist. Du kommst sofort nach Binsey. Schreibst ein oder zwei Tage nicht nach Hause, dann rufst du deinen Mann vom Pub aus an und erzählst ihm, was passiert ist – dass du gestolpert und hingefallen bist, dass die Wehen eingesetzt hätten und das Baby ein bisschen früher als erwartet zur Welt gekommen ist. Wahrscheinlich dreht er völlig durch und sagt, dass er sofort nach Binsey kommen will, um dich abzuholen, aber du erklärst ihm, dass du dich prima fühlst und dass du ein Mädchen aus dem Dorf engagiert hättest, das dich nach London begleitet und dir mit dem Gepäck hilft.«
»Ein Mädchen aus dem Dorf? Was für ein Mädchen?«
»Ich natürlich«, sagte Josie. »Ich zieh mich wie eine Landpomeranze an, setz eine Haube auf und fahr mit dir nach London. Dein Mann hat mich nie kennengelernt, also weiß er nicht, wer ich bin. Möglicherweise hat er mich auf den Zema- Plakaten gesehen, aber da hab ich eine Perücke getragen und sonst praktisch nichts. Ich bin mir
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