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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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an.
    Abdul übersetzte, so gut er konnte. »Er fragt dich, warum du dieses Foto hast. Er fragt dich, wie du heißt.«
    »Sag ihm, dass er mich am Arsch lecken kann!«, schrie Seamie. »Sag ihm, dass er meine Sachen zurückgeben und mit seinem Diebesgesindel verschwinden soll.«
    Abdul riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
    »Sag’s ihm!«, brüllte Seamie.
    Auch der Beduine schrie Abdul an, bis dieser, vor Angst schlotternd, gehorchte. Der Beduine lauschte Abduls Worten, nickte, lachte und rief dann einem seiner Männer einen Befehl zu.
    Seamie bekam nicht mit, wie der Mann eine Pistole aus seinem Gewand zog, ausholte und damit auf seinen Kopf einschlug.

   65   
    A ch, Großmutter! Ich bin so froh, dass du da bist!«, rief Katie und eilte im Haus ihrer Eltern in Mayfair die Treppe hinunter. »Komm mit nach oben, bitte«, sagte sie und zog sie am Arm.
    »Mein Gott, Katie! Lass mich doch erst den Mantel ausziehen!«, erwiderte Rose Bristow außer Atem. Katie hatte sie vor einer Stunde angerufen und sehr aufgeregt geklungen. Woraufhin Rose sofort hergeeilt war. »Was ist denn los?«, fragte sie Katie. »Du hast am Telefon geredet wie ein Wasserfall, dass ich dich kaum verstanden habe.«
    »Es geht um Mum. Sie hat kaum mehr was gegessen, seit sie und Dad aus dem Hospital zurückgekommen sind, und das war vor zwei Wochen! Sie schläft nicht. Spricht kaum. Liegt bloß zusammengerollt in ihrem Bett.«
    Rose runzelte die Stirn. »Wo ist dein Vater?«
    »Nach Wickersham Hall zurückgefahren. Um Charlie zu besuchen. Er hat mit ihr geredet. Sie festgehalten. Ihr Tee gebracht. Sie sogar angeschrien. Nichts hat geholfen. Dann hat er mich gebeten, nach Hause zu kommen. Aber alles, was ich mache, scheint auch nicht zu helfen, und ich habe wirklich alles probiert. Ich weiß nicht mehr weiter, Großmutter. Noch nie habe ich Mum in so einem Zustand gesehen. Noch nie«, sagte Katie und brach in Tränen aus.
    Rose nahm ihre Enkelin in die Arme und beruhigte sie. »Scht, Katie. Das kriegen wir schon wieder hin. Deine Mum hat einen furchtbaren Schock erlitten. Sie braucht einfach Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen, das ist alles. Geh runter und trink eine Tasse Tee, und ich geh zu ihr.«
    Rose griff nach dem Geländer und stieg die Treppe hinauf. Sie hatte Charlie noch nicht besucht. Peter, ihr Mann, war stark erkältet, und wegen der schlimmen Grippe, die gerade grassierte, wollte sie ihn nicht allein lassen, für den Fall dass sich sein Zustand verschlimmerte. Aber Joe war zu ihr gekommen und hatte ihr erzählt, was geschehen war. Nie hatte sie ihren Sohn so am Boden zerstört gesehen.
    Es gab viele schwere Schicksalsschläge, wie Rose sehr wohl wusste, aber nichts war schlimmer, als ein Kind zu verlieren oder zusehen zu müssen, wie das eigene Kind verletzt wurde und litt. Mutter oder Vater zu werden veränderte einen für immer, und zwar so grundlegend wie sonst nichts auf der Welt. Sei es Glück oder Unglück. Seien es Freundschaften oder Liebschaften.
    Rose erinnerte sich an die Zeit, bevor sie Ehefrau und Mutter geworden war. Sie war schlank und zierlich gewesen, mit einem hübschen Gesicht und einer hübschen Figur. Mehrere junge Männer hatten ihr den Hof gemacht. Und sie hatte damals gebetet und sich alle möglichen albernen Dinge gewünscht: Bänder, dichtes Haar und rosige Wangen. Hübsche Kleider, einen gut aussehenden Ehemann, der sie ihr Nadelgeld ausgeben ließ.
    Nachdem sie Mutter geworden war, betete sie nur noch um eines: dass niemals Unheil über ihre Kinder käme.
    Schnaufend erreichte sie den Treppenabsatz und ging zu Fionas und Joes Schlafzimmer. Sie klopfte an, und als niemand antwortete, trat sie ein.
    Ihre Schwiegertochter lag angezogen, den Rücken zur Tür gewandt, im Bett. Ihr Anblick versetzte Rose einen Stich. Sie wusste, dass Fiona als junges Mädchen ihre Mutter verloren hatte. Kate Finnegan war ihre beste Freundin gewesen. Sie lebten in der gleichen Straße, als sie frisch verheiratet waren. Um Kates und um Fionas willen hatte Rose all die Jahre versucht, ihrer Schwiegertochter die Mutter zu ersetzen.
    »Was soll denn das, Fiona?«, fragte sie leise. »Den ganzen Tag im Bett rumzuliegen? Das ist doch nicht die Fiona, die ich kenne. Wie wär’s, wenn du mal runterkämst? Und mit mir und Katie in der Küche eine Tasse Tee trinken würdest?«
    Sie setzte sich aufs Bett und begann, Fionas Rücken zu streicheln. »Joe und Katie machen sich solche Sorgen um dich. Die Kleinen rennen ganz

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