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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Wahrscheinlich hat sie Typhus. Er ist doch jetzt da, oder? Holt ihn her. Soll er doch die Drecksarbeit machen. Soweit ich weiß, kann er das ja ganz gut.«
    Typhus, dachte Willa benommen. Kommt mir gerade recht. Schade nur, dass ich nicht früher daran gestorben bin.
    Sie fragte sich, wer dieser er war, von dem der Wärter gesprochen hatte, und ob sie lang genug bei Bewusstsein bleiben würde, um das herauszufinden. Die Tür ging auf, und jemand trat ein. Sie hörte barsche Worte. Es war ein Mann. Er sprach deutsch. Eine grobe Hand packte sie an den Haaren und riss ihren Kopf hoch.
    »Um Gottes willen!«, rief der Mann aus, und seine Stimme klang merkwürdig vertraut.
    Sie hörte ihn lachen, freudlos und bitter. Und dann sagte der Mann: »Das hätte ich mir denken können, dass du das bist. Namaste, Willa Alden. Namaste .«

   64   
    S eamie starrte auf die Überreste der Sopwith Strutter. Wie Willa einen so furchtbaren Absturz überlebt haben sollte, konnte er sich nicht vorstellen. Sie musste verletzt worden sein. Schwer. Wie der Pilot. Dessen enthaupteter Körper saß noch immer im Cockpit und vertrocknete in der Wüstensonne.
    »Was machen wir?«, fragte Abdul auf Englisch.
    Ja, was machen?, dachte Seamie. Wenn ich das wüsste.
    Sie hatten zwölf Tage gebraucht, um die Absturzstelle zu erreichen – zwölf anstrengende Tage in der gleißenden Wüstensonne. Da Seamie nur wenig Arabisch sprach und die Einheimischen kein Englisch, dachte Albie, es könnte vielleicht von Nutzen sein, wenn Seamie Fotos von Willa bei sich hätte. Also machten sie unterwegs in jedem Dorf halt und zeigten den Leuten die Bilder von ihr. Sie befragten Beduinen, Händler und Ziegenhirten und verloren dabei wertvolle Zeit, aber niemand hatte Willa gesehen. Keiner etwas gehört. Geschlafen hatten sie nur, wenn es zu dunkel war, um weiterzureiten, und waren im Morgengrauen wieder aufgestanden, um sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg zu machen.
    Die Absturzstelle hatten sie erst vor ein paar Minuten erreicht, und Seamie suchte aufmerksam die ganze Umgebung ab, ob es noch Spuren von Willas Entführern gab, aber der Wind hatte alle verweht.
    Seamie drehte sich jetzt einmal um die eigene Achse und versuchte, sich ein Bild von den Bedingungen des Landes zu machen und sich vorzustellen, was mit Willa geschehen sein könnte. Wenn türkische Soldaten sie mitgenommen hatten, war sie wahrscheinlich in einem Militärgefängnis in einer Garnisonsstadt oder in einem Militärlager. Wenn sie von Beduinen entführt worden war, konnte sie überall sein.
    Seamie nahm Albies Karte aus seiner Satteltasche. Auf der Karte waren bekannte türkische Wüstenlager verzeichnet, Wasserstellen, die Beduinen aufsuchten, und Siedlungen, die zu klein waren, um namentlich genannt zu sein.
    Da er weder auf dem Ritt östlich von der Absturzstelle noch an dem Unfallort selbst etwas entdeckt hatte, beschloss er, als Nächstes in einem immer größer werdenden Radius um die Absturzstelle herumzureiten, um vielleicht doch noch irgendwelche Spuren zu finden.
    Er war sich nur allzu bewusst, wie wenig Zeit ihm blieb, bevor er wieder in Haifa und auf seinem neuen Schiff sein musste, und welche Strecke er noch zurückzulegen hatte. Wie sollte er Willa in dieser gottverlassenen Gegend jemals finden?
    Abdul, der bereits im Schatten seines Kamels döste, sah den Stoßtrupp nicht, der sich von Süden her näherte. Genauso wenig Seamie, der konzentriert Albies Karte studierte. Er bemerkte die Fremden erst, als eines ihrer Kamele brüllte, und da war es schon zu spät. Alle Männer bis auf einen waren bereits von ihren Reittieren abgesprungen und umringten sie. Sie trugen weiße Gewänder, Turbane und Dolche im Gürtel.
    Abdul wachte mit einem Ruck auf und sprang auf die Füße. »Räuber. Sechs. Gar nicht gut«, sagte er.
    »Das sehe ich auch«, erwiderte Seamie. »Was wollt ihr?«, fragte er die Männer. Aber er bekam keine Antwort.
    Einer von ihnen ging zu Seamies Kamel, öffnete die Satteltasche und begann, darin herumzuwühlen.
    »Hey! Was machst du da? Hände weg!«, rief Seamie ärgerlich.
    Er machte eine Bewegung, um den Mann aufzuhalten, spürte aber sofort einen Dolch an seiner Kehle. Der Räuber zog eine Pistole, Munition und eine Fotografie von Willa heraus und reichte alles dem sechsten Mann, einem großen Beduinen, der immer noch im Sattel saß und der Anführer zu sein schien. Er inspizierte die Waffe, warf einen Blick auf das Foto, dann brüllte er Seamie

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