Die Wildrose
sich an gar nichts mehr, dann kehrte mit einem Schlag die Erinnerung zurück. Er war mit Abdul an der Absturzstelle gewesen, als sie überfallen wurden. Er hatte den Anführer der Räuber beschimpft. Einer der Männer hatte ihn vermutlich niedergeschlagen.
»Verdammter Mist«, sagte er. Dann rief er laut nach Abdul.
Eine Frau, offenbar von seinen Rufen aufgeschreckt, kam ins Zelt gelaufen und sah ihn an. Schnell verschwand sie wieder und rief jemandem etwas zu. Ein paar Minuten später kam Abdul ins Zelt geeilt.
»Wo sind die Kamele?«, fragte Seamie. »Und unsere Sachen?«
Bevor Abdul antworten konnte, trat ein anderer Mann ins Zelt. Seamie erkannte ihn, es war der Anführer der Bande. Hinter ihm eine Frau. Sie war in indigofarbene Gewänder gehüllt, und ein Schleier verbarg den unteren Teil ihres Gesichts.
»Das ist Khalaf al Mor«, erklärte Abdul mit gedämpfter Stimme, »der Scheik der Beni Sakhr. Die Frau ist Fatima, seine erste Ehefrau.«
»Und wenn er Georg V . wäre, wäre mir das auch egal. Sag ihm, er soll meine Sachen rausrücken«, knurrte Seamie.
Abdul ignorierte ihn. Khalaf al Mor hielt das Foto von Willa hoch und nickte Abdul zu.
»Der Scheik möchte wissen, woher du dieses Fotos hast«, sagte Abdul.
Dann hielt Khalaf eine Halskette hoch. Seamie konnte nicht wissen, dass es dieselbe war, die Fatima Willa geschenkt hatte und die ihr von den Entführern entrissen worden war.
»Der Scheik möchte ebenfalls wissen, was du über diese Halskette weißt«, fügte Abdul hinzu.
Seamie sah den Beduinen an. Warum interessierte er sich so für Willa? Schon an der Absturzstelle hatte er ihn nach dem Foto gefragt. Wusste er etwas über sie? Plötzlich dämmerte ihm, dass Khalaf al Mor ihm vielleicht helfen konnte. Zum ersten Mal seit Tagen keimte Hoffnung in ihm auf.
»Sag ihm, mein Name ist Seamus Finnegan, und ich bin britischer Marinekapitän. Ich weiß nichts über die Halskette, aber die Frau auf den Fotos ist meine Freundin Willa Alden. Sie war in dem abgestürzten Flugzeug draußen bei den Hügeln des Jabal Ad Duruz. Sag ihm, dass ich nach ihr suche und sie finden möchte.«
Fatima quasselte mit schriller Stimme auf Abdul ein. Offensichtlich wollte sie unbedingt wissen, was Seamie gerade gesagt hatte. Abdul übersetzte. Khalaf nickte, während er sprach, aber der misstrauische Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand nicht. Fatima redete auf ihren Ehemann ein. Khalaf bedeutete ihr ungeduldig zu schweigen.
»Der Scheik möchte wissen, warum diese Frau nicht deine Ehefrau ist, wenn sie so wichtig für dich ist.«
»Weil ich bereits eine Frau habe«, erwiderte Seamie. »Daheim in England.«
Abdul übersetzte die Antwort. Fatima stieß einen lauten Schrei aus. Erneut keifte sie ihren Gatten an, bis er mit der Hand nach ihr schlug, dann sagte er etwas zu Abdul.
»Der Scheik meint, deine Erklärung ist wie ein zerbrochener Topf, der kein Wasser hält.«
»Was zum Teufel meint er damit?«, fragte Seamie.
»Weil ein Mann mehr als nur eine Frau haben kann«, antwortete Abdul.
»Aber nicht in England.«
Abdul übersetzte für Khalaf. Fatima hörte zu und begann erneut, aufgeregt auf ihren Mann einzureden. Khalaf brüllte sie an, woraufhin sie endlich schwieg. Dann wandte er sich wieder an Abdul.
»Der Scheik sagt, er habe von dieser Sitte schon gehört. Er gibt zu, dass sie Vorteile haben kann. Aber er möchte wissen, wie eine einzige Frau dir viele Söhne schenken kann. Ein Mann braucht mindestens zwanzig.«
»Also, ich habe keine zwanzig, aber einen«, antwortete Seamie. Er hielt eine Hand hoch zum Beweis, dass er keine Waffe ziehen wollte, und griff in seine Hosentasche, in der Hoffnung, dass seine Brieftasche noch da war. Sie war es. Er öffnete sie und zeigte Khalaf das Foto des kleinen James, der neben Jennie stand.
Khalaf lächelte, nickte und sprach mit Fatima. Abdul übersetzte, was sie miteinander beredeten. »Die Frau des Scheiks erklärt, dass alles genau so sei, wie Willa gesagt hat. Sie sagt, du bist der Mann, von dem sie gesprochen hat. Und du bist der Grund, weshalb sie keinen Mann und keine Kinder hat. Sie hat ihr erzählt, dass du in England schon eine hübsche Frau und einen kleinen Sohn hast. Sie bittet ihren Mann, dir zu helfen.«
Während Abdul sprach, betrat ein dunkeläugiger Junge das Zelt und berührte den Arm des Scheiks. Der Beduine lächelte bei seinem Anblick und legte den Arm um ihn. Dann packte er Abduls Arm und redete schnell auf ihn ein.
Abdul nickte und
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