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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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etwa zwanzig Meter vor ihnen, von zwei seiner eigenen Männer flankiert. Sie ritten nach Norden, Richtung Damaskus, würden aber bei dem Lager von Lawrence haltmachen, um die Tiere zu tränken und ausruhen zu lassen. Niemand wusste, wo Lawrence sein jeweiliges Lager aufschlug, weil er häufig den Standort wechselte, aber Aziz behauptete zu wissen, wo sich er im Moment befand, nämlich auf dem Weg nach Damaskus. Er sagte, an dem Ort gebe es Schatten und einen Brunnen mit genügend frischem Wasser.
    Seamie hoffte, dass Khalaf recht hatte, was Aziz betraf. Bis jetzt hatte er mit vielen Dingen recht behalten. Dass sie sich hier auf dem Weg nach Damaskus befanden und überhaupt noch am Leben waren, hatten sie allein Khalaf zu verdanken. Er war es gewesen, der Aziz und seine bewaffneten Banditen überzeugt hatte, sie nicht zu töten.
    Nur Minuten nachdem Seamie und Khalaf in das Dorf eingeritten waren, um sich nach Willa zu erkundigen, hatten ihm Aziz und seine Männer das gesamte Gold abgenommen, mit dem er sich Informationen erkaufen wollte, und standen kurz davor, ihnen auch alles andere abzunehmen – einschließlich ihres Lebens. Bis Khalaf Aziz erklärte, es gebe noch viel mehr Gold, wenn er ihnen helfen würde.
    »Verschone unser Leben, bring uns zu der Frau, und ich gebe dir doppelt so viel Gold bei unserer sicheren Rückkehr«, sagte er.
    Sofort wurden die Waffen gesenkt. Man begrüßte sie freundlich, entschuldigte sich für das Missverständnis, und die Besucher wurden in Aziz’ Haus zu einem Mahl eingeladen. Er erzählte ihnen, dass er den Absturz des britischen Flugzeugs beobachtet habe, zu dem Wrack geritten sei, um nach Beute zu suchen, dort Willa gefunden und nach Damaskus gebracht habe.
    »Fast hätte ich’s nicht getan«, erklärte Aziz. »Sie war schwer verletzt. Gut möglich, dass sie den Weg nicht überstanden hätte, und dann wäre die ganze Unternehmung, der weite Ritt völlig umsonst gewesen. Aber sie hat überlebt. Und ich hab zweitausend Dinar gekriegt. Also hat sich das Ganze, Allah sei Dank, doch noch gelohnt.«
    Erzürnt über die grausame Gefühllosigkeit des Mannes, hätte Seamie fast ausgeholt und Aziz geschlagen, aber Khalaf hielt ihn zurück.
    »Lass nicht zu, dass dein Zorn dich leitet«, flüsterte er ihm zu. »Du kannst nichts für Willa tun, wenn du tot bist.«
    »Warum?«, fragte Seamie Aziz, obwohl es ihm schwerfiel, ruhig zu sprechen. »Warum hast du Willa an die Türken verkauft?«
    Aziz sah ihn an, als wäre er ein Trottel. »Weil sie mehr zahlen als die Briten.«
    Am Tag darauf machten sich Seamie und Khalaf in Begleitung von Aziz und zwei seiner Männer erneut auf den Weg. Inzwischen waren sie drei Tage unterwegs, aber immer noch drei Tagesritte von der Oase entfernt, wo das Lager sein sollte. Seamie war total erschöpft. Seine Wunde nässte und tat weh. Täglich wechselte er die Verbände, aber die Anstrengung und die ständige Erschütterung beim Reiten reizten die Wundnähte und verhinderten die Heilung. Und nach Damaskus zu kommen war nur ein Teil ihrer Mühen.
    »Was willst du tun, wenn du die Stadt erreicht hast, ha?«, hatte Aziz ihn lachend gefragt. »Sie ganz allein angreifen? Du bist ein Narr, Seamus Finnegan, aber ich mag Narren. Weil es nicht schwer ist, ihnen ihr Geld abzunehmen.«
    »Er wird uns nach Damaskus bringen«, sagte Khalaf al Mor jetzt und riss Seamie aus seinen Gedanken. »Die Frage ist, was machen wir, wenn wir dort sind.«
    »Die Frage stelle ich mir selbst schon die ganze Zeit«, erwiderte Seamie. »Aber ich habe bis jetzt noch keine Antwort darauf.«
    »Dann frag nicht dich. Frag Allah. Mit Allahs Hilfe ist alles möglich«, entgegnete Khalaf gelassen.
    Richtig, dachte Seamie. Ich frage einfach Gott. Ich bitte ihn, mir zu helfen, die Frau zu finden, die ich liebe, die aber nicht meine angetraute Ehefrau ist. Die Frau, mit der ich meine Ehefrau betrogen und meinem besten Freund nichts als Kummer bereitet habe. Von der ich immer noch träume und nach der ich mich verzehre, obwohl ich weiß, dass ich das nicht sollte. Ganz sicher wird Gott das verstehen. Und übrigens, lieber Gott, wir sind nur ein versprengtes Häuflein gegen eine ganze türkische Garnison. Sieh doch mal zu, was du da tun kannst, alter Junge, ja?
    »Vertrau auf Allah«, sagte Khalaf. »Vertrau auf Gott.«
    Also gut, beschloss Seamie. Er würde auf Gott vertrauen. Immer noch besser als nichts.

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    W illa döste vor sich hin, als sie ein leises Klopfen hörte. Sie schlug die

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