Die Wildrose
sich an seine warmen Hände, seine leidenschaftlichen Küsse am Everest. Sie erinnerte sich, wie er sich anfühlte und roch. Damals war er ihr Liebhaber gewesen. Jetzt war er ihr Feind. Das durfte sie nicht vergessen, keine Sekunde lang. Sonst würde es sie das Leben kosten – ihres und das vieler anderer.
Max löste die Schleife an ihrem Unterhemd und machte sich an den vorderen Knöpfen zu schaffen, aber sie hielt ihn auf.
»Was ist?«, fragte er.
»Ich … ich habe Angst, Max.«
»Du? Angst? Wovor?«
»Ich habe Angst, dass du mich nicht mehr willst, wenn du mich siehst. Unter diesen schönen Sachen, die du mir geschenkt hast, bin ich nicht schön. Ich bin bloß Haut und Knochen und voller blauer Flecken. Ich sehe aus … na ja, als käme ich aus dem Krieg.«
Max lachte. Er stützte sich auf den Ellbogen ab und blickte in ihre Augen. »Als ich dich in Kathmandu zum ersten Mal sah, dachte ich, du seist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Das finde ich immer noch, Willa. Knochen und blaue Flecken sind mir egal. Lass mich dich anschauen.«
»Also gut«, erwiderte sie, zog sein Gesicht an sich und küsste ihn hungrig. »Aber zuerst noch etwas Wein.«
Max wollte aufstehen, aber sie hielt ihn zurück. »Nein, ich hole ihn. Du hast mich doch schon den ganzen Abend verwöhnt.«
Langsam humpelte sie aus dem Zimmer, doch kaum war sie außer Sichtweite von Max, hetzte sie davon. Das verführerische Lächeln auf ihrem Gesicht war verschwunden. Sie hatte nur Sekunden. So schnell sie konnte, hob sie ihren Unterrock, rollte den Rand ihrer Strümpfe herunter und zog ein kleines gefaltetes Briefchen heraus. Es enthielt weißes Pulver. Sie hatte am Nachmittag die Tabletten zwischen den Sohlen ihrer neuen Schuhe zermahlen, als sie angeblich schlief, und das Pulver in ein Stück Seidenpapier aus den Geschenkkartons von Max gegeben. Jetzt schüttete sie es in eines der Gläser, goss Wein darüber, rührte das Ganze mit dem Finger um und betete, dass es sich schnell auflöste. Dann füllte sie ein zweites Glas, merkte sich, in welchem die zermahlenen Tabletten waren, und trug beide ins Schlafzimmer zurück.
»Hier«, sagte sie und reichte ihm sein Glas. Er nahm einen Schluck, stellte das Glas auf den Boden und griff nach ihr. Einen Moment später hatte er ihr das Hemd und den Unterrock ausgezogen. Dann zog auch er sich vollständig aus.
Willa lächelte und liebkoste ihn dabei, geriet aber innerlich in Panik. Er musste mehr trinken als nur einen Schluck. Sie wusste nicht, wie stark die Mischung war oder wie schnell sie wirken würde, aber sie war sich sicher, wenn er statt bewusstlos nur leicht benommen wäre, würde er sich zusammenreimen, was sie getan hatte. Dann wäre alles vorbei.
Sie nahm sein Glas und reichte es ihm wieder. »Einen Toast, Max. Auf das Ende dieses Kriegs«, sagte sie und trank einen kleinen Schluck. Max tat es ihr gleich.
»Auf den Everest«, fügte sie hinzu und nahm einen weiteren Schluck. Max ebenfalls.
»Und auf uns«, sagte sie. »Auf unsere Zukunft. Die heute Nacht beginnt.« Daraufhin leerte sie ihr Glas, und Max das seine.
Sie nahm sein Glas und stellte es mit ihrem auf dem Boden ab. »Schlaf mit mir, Max, aber langsam. Ich möchte nicht, dass es schnell vorbeigeht«, flüsterte sie. »Ich möchte, dass wir uns heute Nacht Zeit lassen, um all die schlechten Erinnerungen zu vergessen und neue zu erschaffen. Gute.«
Sie schlang die Arme um seinen Hals. Er küsste sie abermals, dann ihre Brüste und ihren Bauch. Er küsste ihre Hüften und spreizte ihre Beine.
Willa stieß einen kleinen Seufzer aus, der hoffentlich lustvoll klang. Verzweifelt fragte sie sich, wie lange es dauerte, bis die Tabletten wirkten. Sie wollte das nicht tun.
»Mein Gott, ich will dich so sehr«, sagte Max plötzlich und war in ihr.
Willa keuchte laut auf, aber nicht vor Lust. Tränen brannten in ihren Augen. Was hast du falsch gemacht, fragte sie sich verzweifelt. Warum wirkt es nicht?
Sie biss sich auf die Lippen, als Max in sie stieß. Ihr Plan war missglückt. Sie würde in ihr Krankenzimmer zurückkehren müssen – wenn Max mit einigem Glück nicht herausfand, was sie getan hatte. Und sie müsste tagaus, tagein so tun, als betete sie ihn an. Sie müsste mit ihm essen und schlafen, während Faisal, Lawrence, Auda und ihre Soldaten ins Verderben liefen.
Und dann hielt Max plötzlich inne. Er lachte verlegen und strich sich über das verschwitzte Gesicht. »Der Wein. Er muss mir in den Kopf gestiegen
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