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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Arm. Er versuchte, sie auf die Füße zu zerren, aber Willa wehrte sich und trat abermals nach ihm. Sie musste sich befreien. Wenn nicht, wäre es um sie geschehen. Und um Lawrence ebenfalls.
    Sein Griff wurde noch fester, und obwohl er unter Drogeneinfluss stand, kam sie nicht gegen ihn an. Erneut trat sie nach ihm und traf ihn mit dem Fuß in den Genitalien. Er brüllte auf vor Schmerz und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Sie fiel auf den Boden zurück und schlug so hart mit dem Kopf auf, dass sie Sternchen sah. Ihre Hände fielen von ihm ab, und eine landete auf dem Kissenbezug.
    Der Kissenbezug . Mit letzter Kraft griff sie hinein und ertastete einen Pistolenlauf. Sie war nicht geladen, aber das war auch nicht nötig. Max war inzwischen auf allen vieren und stöhnte laut. Willa zog die Pistole heraus, holte aus und schlug sie ihm gegen den Kopf.
    Max brüllte auf. Schmerz und Wut verzerrten sein Gesicht. Er fasste sich an den Kopf. Das war alles, was Willa brauchte. Sie schlug erneut auf ihn ein. Und noch einmal. Bis er zu schreien, bis er zu stöhnen aufhörte, bis er gegen die Wand sackte und keinen Laut mehr von sich gab.
    Willa warf die Pistole weg und holte kurz Luft. Hatte sie ihn getötet? O Gott, nein. Sie wollte ihn nicht töten. Sie wollte bloß weg von ihm.
    »Max? Max!«, rief sie. Er gab keine Antwort. Ein paar Sekunden lang war sie wie gelähmt vor Entsetzen über ihre Tat.
    Hau ab von hier, befahl ihr eine innere Stimme. Hau ab. Sofort.
    Schluchzend schob sie ihn weg. Ihr Gesicht, ihre Hände und Gewänder waren mit seinem Blut bespritzt. Mühsam stand sie auf und taumelte ins Badezimmer. Schnell wusch sie sich das Blut von Gesicht und Händen, beschloss aber, sich nicht umzuziehen. Auf ihrem blauen Gewand wären die Flecken im Dunkeln nicht zu sehen.
    Sie stolperte ins Schlafzimmer zurück, nahm den Kissenbezug und floh aus dem Haus.

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    S üdwesten«, murmelte sie, während sie durch die nächtlichen Straßen von Damaskus rannte. Der Souk ist etwa vier Straßen westlich von uns, südwestlich, genauer gesagt, hatte Max ihr erklärt.
    In welcher Richtung war Südwesten? Sie hatte versucht, den gleichen Weg zu nehmen, auf dem sie gekommen waren, konnte sich aber nicht mehr an ihn erinnern. Als Max sie abholte, war es noch hell gewesen. Jetzt war es nach elf und pechschwarze Nacht. Es gab weder eine Straßenbeleuchtung, noch schien der Mond, und nachdem sie volle fünfzehn Minuten herumgerannt war, musste sie sich eingestehen, dass sie sich verlaufen hatte.
    Sie blieb stehen, versuchte, sich zu orientieren, aber sie kannte die Stadt nicht. Ihr Herz hämmerte so stark, dass sie kaum Luft bekam. Panik ergriff sie.
    Wahrscheinlich hatte sie gerade einen Mann getötet. Nicht irgendeinen Mann, sondern Max von Brandt, einen hochrangigen deutschen Offizier. Falls Max wirklich tot war, würde er innerhalb weniger Stunden gefunden werden, wenn die Dienerschaft zum Morgendienst erschien. Falls er aber noch lebte und sich bewegen konnte, würde er sich zu einem Nachbarhaus schleppen und Hilfe holen. Jeden Moment konnte Alarm geschlagen werden, und wenn das geschah, würde die ganze Stadt nach ihr suchen. Sie musste so schnell wie möglich aus Damaskus heraus.
    Sie bekämpfte ihre Panik, sah nach rechts und links und überlegte, welche Richtung sie einschlagen sollte. Plötzlich ertönte über ihr ein Schrei. Sie blickte nach oben. Ein Vogel, den etwas aufgestört hatte, vielleicht eine Katze auf Raubzug, flatterte laut zwitschernd in den Nachthimmel hinauf. Und dann sah sie ihn – den nächtlichen Himmel, voller Sterne.
    Fast hätte sie laut aufgelacht. Natürlich! Sie war wie gelähmt gewesen vor Schock, zu aufgewühlt, um klar denken zu können, sonst hätte sie als Erstes zu den Sternen geblickt, als sie aus dem Haus floh. An den Sternen konnte sie sich immer orientieren, wenn sie sich verlaufen hatte. Sie suchte den Polarstern, schätzte aufgrund seiner Position ein, wo Südwesten war, und hastete dann weiter. Zehn Minuten später erreichte sie den Souk.
    Sie sah Laternenlicht unter weiß gekalkten Arkaden, roch Tiere, hörte die leisen Gespräche der Händler, die noch wach waren, und wusste, dass sie es geschafft hatte.
    Mit gesenktem Kopf eilte sie weiter, bis sie die Kamelhändler fand. Die ersten, auf die sie traf, waren Howeitat. Das erkannte sie an ihrer Sprache und ihrer Kleidung. Ihre Kamele lagen auf dem Boden. Sie wandte sich an einen Mann, der mit abgewandtem Gesicht am Rand der

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