Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
zum anderen. Ganz langsam.«
    Flynn riss die Augen auf und nickte.
    »Wo ist Flynn?«, fragte Billy, als John an Deck war.
    »Er ist noch nicht aufgetaucht«, antwortete John.
    Billy fluchte. »Der Dreckskerl schuldet mir noch Geld. Oder besser gesagt, sein Auftraggeber. Jeden Monat hab ich einen Umschlag gekriegt, gewissenhaft und pünktlich. Diesen Monat hab ich nichts bekommen. Sag ihm …«
    »Billy! Na komm schon, Süßer!«, rief eine Frauenstimme von weiter weg. »Du hast gesagt, wir gehen ins Casbah, nicht zu ’ner ollen Werft!«
    »Halt’s Maul, blöde Schlampe!«, rief Billy. »Oder ich schmeiß dich ins Wasser!«
    »Billiiie!«, jammerte die Frau.
    »Wenn die nicht aufpasst, kannst du gleich noch ’ne Leiche in Margate reinschmeißen«, sagte Billy düster. »Jedenfalls, wenn Flynn auftaucht, sag ihm, dass ich ihn sprechen will. Sobald er den Fuß an Land setzt. Ich bin schließlich kein Wohltätigkeitsverein.«
    »Gut, Billy, ich richt’s ihm aus.«
    »Wann bist du zurück?«
    »In drei oder vier Tagen, wie üblich. Beim Rausfahren sollte gutes Wetter sein. Auf dem Rückweg gibt’s vielleicht Sturm. Das könnte uns aufhalten.«
    »Komm bei mir vorbei, wenn du fertig bist. Ich hab einen neuen Job für dich. Gemälde diesmal. Aus einem großen Herrenhaus in Exeter. Die müssen in den Süden.«
    »Mach ich.«
    Sid hörte zwar Schritte auf dem Dock und erwartete, dass John sofort wieder unter Deck kam, aber das dauerte gut und gern zehn nervenaufreibende Minuten.
    »Himmel, Mann, wo warst du denn so lang?«
    »Nachsehen, ob Billy wirklich fort ist.«
    »Und? Ist er?«
    »Ja. Ich hab ihn beobachtet. Hab gewartet, bis er und sein Flittchen wieder in die Kutsche gestiegen sind.«
    »Los, brechen wir ebenfalls auf«, sagte Sid.
    Das brauchte er John kein zweites Mal zu sagen. Der hatte die Leinen bereits losgemacht. Kurz darauf hatte er den Motor angeworfen, und sie fuhren los. Um ein Uhr mussten sie in Millwall sein, und wie es aussah, würden sie es auch schaffen. Etwa eine halbe Stunde später legten sie längsseits an einem kleinen Steg hinter dem Wellington, einem Gasthaus am Fluss, an.
    Zu ihrer großen Erleichterung warteten Maggie Harris und ihre Kinder dort schon auf sie. Nacheinander holte John seine Familie an Bord und sah sich dabei ängstlich um.
    Am Morgen war Sid zu Johns und Maggies Wohnung gegangen und hatte Maggie fünfhundert Pfund gegeben – eine so große Summe wollte Maggie zuerst gar nicht annehmen – sowie ein Stück Papier mit zwei Adressen darauf, eine in Inverness und eine in Point Reyes.
    »Ihr geht zuerst nach Inverness«, erklärte er ihr. »Zu Smython’s. Der Makler dort – Alastair Brown – hat ein kleines Haus für euch. Die Miete ist schon bezahlt. Wenn der Krieg vorbei ist und man den Atlantik wieder überqueren kann, könnt ihr das Boot verkaufen, nach New York fahren und von dort nach Kalifornien. Dort werde ich auf euch warten. Ich hoffe, ihr mögt Rinder. Ich hab vierhundert Stück davon.«
    Maggie war daraufhin in Tränen ausgebrochen, und Sid musste warten, bis sie sich wieder beruhigt hatte, um ihr den Rest des Plans zu erklären. Er musste aufpassen, dass sie genau zuhörte und verstand, was er sagte, denn es durfte kein Fehler passieren.
    Nachdem sie ihre Tränen getrocknet hatte, sagte er ihr, dass sie und die Kinder am Spätnachmittag ihre Wohnung verlassen sollten, aber nichts mitnehmen durften, außer was sie auf dem Leib trugen. Dann müssten sie nach Millwall in das Wellington-Pub gehen, dort das Zimmer beziehen, das er unter falschem Namen für sie gemietet hatte, und dort bleiben.
    »Und ihr«, sagte er zu den drei älteren Kindern, »ihr geht nacheinander von zu Hause weg. Als würdet ihr einen Freund besuchen oder einen Botengang machen. Maggie, du nimmst die anderen und deinen Korb, als wolltest du zum Markt. Keine Koffer, verstanden? Es darf nicht so aussehen, als wolltet ihr abreisen. Madden hat im ganzen East End Augen und Ohren.«
    Maggie sagte, sie habe verstanden. Die Kinder nickten.
    »Gut. Im Wellington bleibt ihr in eurem Zimmer. Kurz vor ein Uhr morgens geht ihr zum Dock hinter dem Pub und wartet dort. Und zwar so leise wie möglich. John und ich holen euch dort ab. Verratet keinem Menschen ein Sterbenswörtchen von der Sache.«
    Sobald Johns Kinder unter Deck und ermahnt worden waren, den auf dem Boden liegenden Mann nicht zu beachten, stieß Sid ab, John warf die Maschine wieder an, und sie fuhren weiter. Es dauerte nur eine

Weitere Kostenlose Bücher