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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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ursprünglich gefordert hatte, sondern eine ganze Flotte. Joe hingegen zeigte sich vollkommen unzugänglich für den Gedanken, dass die Regierung dafür drei Millionen Pfund bezahlen sollte.
    »Es ist mir egal, wie gut sie sind, George«, sagte er jetzt. »Meine Wähler brauchen keine Kriegsschiffe. Und wollen auch keine. Sie wollen Schulen, Krankenhäuser und Parkanlagen. Und Jobs. Jobs wären besonders schön.«
    »Oh, die kriegen sie«, erwiderte Burgess. »In den Munitionsfabriken des Kaisers. Ein paar davon will er auf den Themsedocks errichten, sobald er in England einmarschiert ist.«
    »Das ist doch nichts anderes als Kriegshetze«, erwiderte Joe erregt. »Sie behaupten, mit der Demonstration von Stärke militärische Aggression zu verhindern, dabei nutzen Sie jede Gelegenheit, um Emotionen anzustacheln genau für den Krieg, den Sie angeblich vermeiden wollen!«
    »Ich brauche keine Emotionen anzustacheln. Die sind schon vorhanden. Darüber hinaus …«
    Burgess wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. »Herein!«, rief Joe.
    Die Tür ging auf, und Albie Alden, Seamies Freund aus Cambridge, trat ein.
    »Hallo, Albie«, sagte Joe. »Das Dinner findet unten statt. Seamie und Jennie …«
    Burgess fiel ihm ins Wort. »Er ist unseretwegen hier.«
    »Moment mal«, sagte Joe. »Albie ist Ihr Mann von der Admiralität? Albie Alden?«
    »Endlich sind wir komplett«, antwortete Burgess. Er machte eine ungeduldige Handbewegung in Albies Richtung. »Kommen Sie rein, alter Junge. Und schließen Sie die Tür.«
    Albie tat, wie ihm geheißen wurde, durchquerte den Raum, öffnete seine Aktentasche und reichte Burgess ein dickes Dossier. Burgess blätterte es durch, seufzte, nickte und fluchte manchmal, dann knallte er es auf Joes Schreibtisch.
    »Lesen Sie das«, sagte er. »Lesen Sie es, dann sagen Sie mir, dass wir unsere Schiffe nicht kriegen können.«
    Joe blickte zuerst Burgess, dann Albie an und fragte sich, was das Dossier wohl enthalten konnte. Er schlug es auf. Auf allen Dokumenten prangte der Stempel des Geheimdienstes, einer Abteilung innerhalb der Admiralität, von deren Existenz nur wenige wussten.
    Als er bei der dritten Seite angekommen war, wurde Joe klar, was er da las: Berichte über verschiedene Männer und Frauen deutscher Nationalität, die der Geheimdienst der Spionage verdächtigte. Vor allem ein Name stach Joe ins Auge – Max von Brandt. Joe kannte den Mann. Er hatte ihn erst vor ein paar Wochen nach der Wahlrechtsdemonstration im Gefängnis von Holloway kennengelernt. Außerdem hatte er ihn mehrmals in Gesellschaft von Maud Selwyn-Jones gesehen.
    Zu seiner großen Erleichterung jedoch stellte er fest, dass von Brandt nur als möglicher Unsicherheitsfaktor aufgeführt wurde, da der Verfasser des Berichts zu dem Schluss gekommen war, er sei wahrscheinlich doch kein Spion. Er habe ein unabhängiges Einkommen, Verwandte in England und keine anderen Verbindungen zum deutschen Militär außer der Ableistung seines Wehrdienstes.
    Außerdem hatte sich Max mit seinem Onkel, einem Industriellen und dem ältesten Bruder seines Vaters, öffentlich über die Aggressionspolitik des Kaisers entzweit. Der Streit hatte in einem Berliner Restaurant stattgefunden und war in lautstarkem Geschrei geendet. Der Vorfall war von drei verschiedenen vertrauenswürdigen Augenzeugen beobachtet worden, und eine Woche später hatte Max Deutschland verlassen und war nach England gekommen. Angeblich war der Onkel froh über die Abreise seines Neffen. Er beschuldigte ihn öffentlich, eine Schande für die Familie zu sein und ihn, den Onkel, Aufträge zu kosten. Max von Brandt, so schloss der Bericht, sei ein versierter Bergsteiger und Frauenheld, aber kein Spion. Andere dagegen schon. Dutzende. Joe blätterte Seite um Seite mit Namen und körnigen grauen Fotos durch.»Wie hast du all die Leute aufgestöbert?«, fragte er Albie, als er fertig war.
    Burgess antwortete an seiner statt: »Albie hat gemeinsam mit Alfred Ewing, Dilly Knox, Oliver Strachey und ein paar anderen brillanten Köpfen der Universität Cambridge eine Menge Codes geknackt im Lauf des letzten Jahres. Sie haben die Existenz eines weitläufigen und effektiven deutschen Spionagerings im Vereinigten Königreich bestätigt und, wie Sie sehen, viele von dessen Fußsoldaten enttarnt.«
    »Warum wurden sie dann nicht festgenommen?«, fragte Joe alarmiert.
    »Weil wir hoffen, dass uns die unteren Chargen zum Chef des Spionagerings führen«, antwortete Burgess.

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