Die Wildrose
die Art Frau, die jeder Mann für sich gewinnen wollte. Also war es albern, sich zu sorgen, und Fiona beschloss, damit ein für alle Mal Schluss zu machen.
Ein paar Minuten später begann das Streichquartett, das sie bestellt hatte, den Hochzeitsmarsch zu spielen. Alle standen auf. Albie Alden, Seamies Trauzeuge, schritt lächelnd den Mittelgang entlang. Gefolgt von Seamie, der in dem grauen Cut besonders gut aussah. Als Nächstes kamen die Blumenkinder – die beiden Jüngsten von Joes Schwester –, eine Brautjungfer und dann die Braut selbst, die hübsch und strahlend am Arm ihres Vaters eintrat.
Ein ganz besonderer Augenblick, dachte Fiona erneut, als sie sah, wie der Reverend seine Tochter küsste und ihre Hand in Seamies legte.
»Bitte, lass es für immer halten«, murmelte sie.
23
I ch frage mich immer, wie an so einem Tag die Sonne scheinen kann«, sagte Seamie traurig.
»Ich habe mich das Gleiche gefragt, als meine Mutter starb«, antwortete Jennie und legte ihre Hand in die seine. »Mein Vater meint, es soll uns daran erinnern, dass nach Schatten wieder Licht und eines Tages Glück auf die Trauer folgen wird.«
Sie standen im Salon der Aldens vor einem Sarg. Admiral Alden hatte vor zwei Tagen seinen Kampf gegen den Krebs verloren, und Seamie erwies ihm die letzte Ehre, bevor der Leichnam in die Westminster Abbey zum Trauergottesdienst und danach auf den Friedhof zur Beisetzung im engeren Familienkreis gebracht wurde.
»Er hat noch zum alten Schlag gehört«, sagte Seamie. »Pflicht und Militärdienst standen bei ihm an erster Stelle. Er war einer der aufrechtesten Männer, denen ich je begegnet bin.« Er hielt inne, um seiner Gefühle Herr zu werden, und fügte dann hinzu: »Als Junge bin ich mit ihm und seiner Familie gesegelt. Er hat mir die ersten Lektionen in Navigation gegeben. Und er hat erkannt, wie sehr ich das Meer liebe und wie gern ich etwas erforsche, und mich darin bestärkt. Er war wie ein Vater für mich.«
Jennie lehnte den Kopf an seinen Arm. »Möchtest du ein paar Minuten allein mit ihm sein?«, fragte sie.
Seamie nickte schweigend.
»Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst«, sagte sie und küsste ihn auf die Wange. »Ich bin bei Fiona und Joe.«
Seamie griff nach seinem Taschentuch, wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich. Er wusste, dass er sich den anderen anschließen sollte, konnte es aber nicht. Noch nicht. Noch immer drohten seine Gefühle ihn zu übermannen. Also ging er im Salon herum und sah sich die Bücher in den Regalen, die Gemälde und Erinnerungsstücke an.
Dieses Haus war ihm so vertraut. Er erinnerte sich, wie er das Geländer hinuntergerutscht, mit Albie durch die Gänge getobt war und in der gemütlichen Küche heiße Schokolade getrunken und Kekse gegessen hatte. Doch am besten erinnerte er sich an diesen Salon. Unzählige Male hatten er und Albie hier aus Mrs Aldens Laken Indianerzelte gebaut. Abends saßen sie am Feuer, und der Admiral erzählte ihnen von seinen Abenteuern auf hoher See. Sie spielten Mühle und sangen die Lieder mit, die Mrs Alden auf dem Klavier spielte.
Er schlug eine Taste an und lauschte, wie der Ton verklang. Er blickte auf die Fotos auf dem Klavier. Fotos von Schiffen, die der Admiral kommandiert, oder von Booten, die er bei Regatten gesegelt hatte. Es gab auch Familienbilder, die auf dem Wasser aufgenommen waren. Bilder von den Aldens und Seamie auf der Jacht des Admirals, der Tradewind. Eines vom Juli 1891, ein anderes vom August 92, ein drittes vom Juni 93 – von all den endlosen Sommern seiner Jugend.
Es gab Bilder von Albie als Knaben und jungem Mann. Auf einem nahm er seine Promotionsurkunde in Cambridge entgegen. Und es gab Bilder von Willa. Als Dreikäsehoch mit Zöpfen und Schürze. Als Mädchen in Hosen auf einer Felsenspitze oder am Steuer der Tradewind. Als junge Frau in einem elfenbeinfarbenen Kleid.
Seamie nahm dieses Foto in die Hand und starrte es an. Er erinnerte sich an dieses Kleid, an diesen Abend. Sie waren Teenager damals. Er war siebzehn. Die Aldens hatte eine Party gegeben, deswegen war Willa so fein gekleidet. Sie waren zu dritt im Garten gewesen, lagen auf einer Decke und sahen in den Himmel hinauf. Ein paar Tage später wollte er auf seine erste Expedition gehen. Es würde Jahre dauern, bis er seine beiden Freunde wiedersehen sollte. Albie war ins Haus gegangen, um etwas zu essen zu holen, und dann hatte Willa ihn geküsst und ihm gesagt, er solle sie eines Tages unter dem Orion
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