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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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unterirdisch, vor neugierigen Blicken geschützt, zu befördern, gefiel ihm, aber er wusste noch nicht, wie er es bewerkstelligen sollte. Zumindest noch nicht.
    »Das ist eine gute Idee. Aber selbst kann ich das nicht machen. Ich brauche trotzdem einen neuen Kurier.«
    Ein Mann mit dichten Augenbrauen, glatzköpfig und mit einer Figur wie ein Fass, trat zu Billy an den Tisch. Billy blickte zu ihm auf. »Irgendwas gehört?«
    »Nein, Boss. Keine Spur von ihr. Nicht die geringste.«
    Billy schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die elende Fotze!«, schrie er. »Der reiß ich die Eingeweide raus, wenn ich sie erwische!«
    »Probleme mit Damen?«, fragte Max.
    »Mit der Schlampe, die ich gevögelt hab. Die kleine Varieté-Schauspielerin. Eine Blondine namens Josie Meadows. Schon mal gesehen hier?«
    Max nickte. Er erinnerte sich an eine junge blonde Frau mit blauen Flecken im Gesicht, die hier am Fenster gesessen hatte. »Einmal, glaube ich.«
    »Sie ist weg.«
    »An Schauspielerinnen herrscht doch kein Mangel in London. Können Sie keine neue finden?«
    »Sie hat was mitgenommen, das mir gehört.«
    Max hatte das Gefühl, dass mehr hinter der Geschichte steckte, als Billy ihm erzählte, aber er wollte nicht weiter nachfragen.
    »Na ja, vielleicht läuft sie Ihnen ja mal über den Weg«, sagte Billy. »Vielleicht sehen Sie die Schlampe, wenn sie sich irgendwo rumtreibt.«
    »Schon möglich«, erwiderte Max zögernd.
    »Sie müssen sich nicht die Finger dreckig machen, wenn es das ist, was Ihnen Sorgen macht. Ich bitte Sie nur, mir Bescheid zu geben, wenn Sie irgendwas sehen oder hören. Ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür.«
    Billy verzog den Mund zu seinem bösen Grinsen. Bei dessen Anblick und beim Anblick seiner grausamen, seelenlosen Augen dachte Max, dass dieses Mädchen gut daran täte, aus London zu verschwinden. Er kannte solche Typen wie Billy, die Spaß daran fanden, andere zu quälen und zu töten, und er wusste, wenn Billy dieses Mädchen je fände, würde sie sich inständig wünschen, sie hätte ihn nie kennengelernt.
    Aber das war nicht seine Sorge. Ihm war nur daran gelegen, die Verbindungskette wiederherzustellen. Und selbst am Leben zu bleiben. Er zog einen Umschlag aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. »Halten Sie das Boot für mich bereit.«
    Billy nickte, nahm den Umschlag und steckte ihn in die Tasche.
    »Ich melde mich, sobald ich kann«, sagte Max und stand auf. Erneut dachte er an die Sache im Duffin’s, die knappe Flucht und die Kugel, die an seiner Wange vorbeigezischt war. » Wenn ich kann«, fügte er hinzu.

   30   
    S eamie trank einen Schluck von dem Whisky, den er sich  eingegossen hatte. Er brannte in seiner Kehle und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er nahm noch einen.
    Mit dem Glas in der Hand ging er zum Fenster seines Zimmers im Coburg-Hotel und blickte hinaus. Es war dunkel geworden. Alle Straßenlampen brannten. Er starrte auf die Straße hinab, aber die Person, nach der er Ausschau hielt, entdeckte er nicht. Er drehte sich um, erhaschte einen Blick von sich im Spiegel und wandte sich schnell ab.
    »Hau ab«, sagte er laut. »Sofort. Verschwinde von hier, bevor es zu spät ist.«
    Noch war es möglich. Noch blieb ihm Zeit. Er sollte es tun. Er stellte sein Glas ab und griff nach seiner Jacke. Mit ein paar schnellen Schritten durchquerte er den Raum, hatte die Hand auf dem Türknauf – und hörte, wie es klopfte. Wie erstarrt blieb er stehen. Strich sich durchs Haar. Es klopfte erneut. Er holte tief Luft und machte auf.
    »Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich hier bist«, sagte Willa.
    »Ich auch nicht«, antwortete er.
    »Darf ich eintreten?«
    Er lachte. »Ja, natürlich. Tut mir leid.«
    Er nahm ihre Jacke und ihren Hut und legte beides mit seiner eigenen Jacke auf einen Stuhl. Sie trug eine cremefarbene Seidenbluse und einen marineblauen Rock. Er machte eine Bemerkung über ihren ungewöhnlichen Aufzug. Sie erklärte ihm, dass sie ihn zwar hasse, aber nicht auffallen und hier nicht erkannt werden wollte.
    Er bot ihr Tee an, doch sie bat um einen Whisky. Er zitterte so sehr, als er ihn ihr reichte, dass er etwas davon verschüttete.
    »Also gut, Seamie«, sagte sie. »Wir wollen uns nur unterhalten, weißt du. Wie Erwachsene. Und ein paar Dinge klären.«
    Das hatten sie auf Lulus Party beschlossen. Sie hatten nicht miteinander geschlafen. Stattdessen wollten sie sich zu einem Zeitpunkt, wenn sie weniger erregt wären, an einem verschwiegenen Ort treffen und

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