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Die Winterprinzessin

Die Winterprinzessin

Titel: Die Winterprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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übrigen Vogelkrieger verlangten lautstark Einlass, scheiterten aber an der Festigkeit der Tür. Der Riegel hielt; fraglich war, wie lange noch.
    Jade ließ den Säbel fallen und sank erschöpft zu Boden. Lange Zeit hielt sie die Augen geschlossen. Ihre Hände hatten die leblose Rechte des Fakirs ergriffen. Es sah aus, als finde zwischen den beiden, dem toten Meister und seiner Schülerin, ein Austausch statt, auf einer Ebene jenseits von Leben und Tod.
    Dann schließlich schlug Jade die Augen auf. Über die Leichen hinweg blickten wir uns an, schweigend, während die Odiyan vergeblich gegen die Kammertür schlugen. Ich las Leid in den dunklen Tiefen dieser Augen, Leid darüber, dass sie nun auch den letzten und treuesten ihrer Gefährten verloren hatte. Aber da war auch Entschlossenheit in ihrem Blick, verzweifelte, fast schmerzliche Kraft.
    Ich kroch auf sie zu, wagte aber nicht, sie zu berühren. Die Lust zu töten stand ihr immer noch im Gesicht geschrieben, umso mehr, als ihr der Verlust des Fakirs immer deutlicher bewusst wurde. Ich sah, dass sie weinte, und das war etwas, das ich von ihr nicht erwartet hatte. Aber doch, sie weinte, klare, große Tränen, die sich auf ihren Wangen mit dem Blut der Odiyan mischten und ein rotes Muster des Todes auf ihr weißes Hemd zeichneten.
    Ich überlegte, was ich hätte sagen können, aber ich verstand sehr wohl, dass es sie nicht nach Trost verlangte. So beschloss ich, sie für einen Moment mit ihrem Schmerz allein zu lassen, und erhob mich schwerfällig auf die Beine. Träge schleppte ich mich zum Fenster der Turmkammer, wahrscheinlich das einzige in der ganzen Abtei, das noch eine unbeschädigte Scheibe besaß. Sie klemmte, als ich sie öffnen wollte, doch nach einigem Rütteln gab sie nach. Vorsichtig streckte ich meinen Kopf hinaus und warf einen Blick in die Tiefe.
    Im selben Moment ertönte ein Schuss.
    Blitzschnell zog ich mein Gesicht zurück. Nun schossen sie also auf uns. Was soll’s, dachte ich, das macht die Lage auch nicht schlimmer. Sie hätten schon den ganzen Turm einreißen müssen, um mich noch zu beeindrucken. Trotzdem wagte ich nicht, ein zweites Mal aus dem Fenster zu schauen.
    Weitere Schüsse peitschten. Das war merkwürdig, bot ich ihnen nun doch kein Ziel mehr. Wahrscheinlich töteten sie unsere Pferde.
    Das Hämmern an der Tür wurde schwächer, brach schließlich ab. Schritte klapperten die Stufen hinunter, entfernten sich. Unten musste etwas geschehen sein, das den Vogelmännern weit wichtiger schien als Jade und ich. Schwerlich konnte dies der Tod der Pferde sein.
    Die Abtei wurde angegriffen! Oder, nein, nicht die Abtei – die Odiyan!
    Sofort sprang ich wieder ans Fenster, reckte meinen Kopf über die Brüstung und sah nach unten.
    Die eben noch unberührte Schneedecke vor der Ruine war jetzt aufgewühlt und zerfurcht. Ein Gewimmel von Leibern füllte die Lichtung. Die winterliche Waldesstille wurde von weiteren Schüssen, von einem regelrechten Trommelfeuer zerrissen. Überall wurde gefochten. Die schwarzen Odiyan kämpften gegen eine Übermacht großherzoglicher Soldaten – und sie kämpften auf verlorenem Posten.
    Stumm vor Überraschung und Glück lehnte ich über der Fensterbrüstung. Die Flut der Uniformierten bekämpfte die Odiyan mit stoischer Disziplin, in Reihen vorrückend, während ihre Gegner wild um sich hieben und hackten, wilder noch, als sie bemerkten, dass sie den badischen Soldaten unterliegen mussten. Schon versuchten die ersten Vogelkrieger den Ausbruch aus dem Kessel, um sich in die Wälder zu schlagen, doch eine Linie Gewehrschützen feuerte ihnen eine Salve hinterher. Getroffen sanken die Flüchtenden in den Schnee.
    Jade stand plötzlich neben mir. Ich hatte nicht bemerkt, wie sie herangekommen war, so bannte mich das blutige Schauspiel. Als ich mich nun zu ihr umsah, Worte der Freude auf den Lippen, entdeckte ich die Sorge in ihren Zügen. Sogleich schluckte ich meine Bemerkung herunter und sagte nur: »Sie wirken nicht erfreut über unsere Rettung.«
    Sie starrte mit leerem Blick in die Tiefe. »Ihre Rettung, Herr Grimm. Für die Soldaten des Großherzogs bin ich eine Inderin wie die Odiyan. Ein Feind. Und sie haben ja nicht einmal Unrecht damit.«
    Ihre Stimme klang düster und erfüllte mich mit Traurigkeit. »Ich werde sagen, Sie seien eine Gefangene wie ich«, schlug ich vor.
    Sie schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Ärmel Odiyanblut aus den Augen. »Niemand wird Ihnen glauben.«
    »Dalberg vertraut

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