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Die Winterprinzessin

Die Winterprinzessin

Titel: Die Winterprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Es macht unsere Lage nicht eben angenehmer.«
    Eine Weile lang herrschte tatsächlich Ruhe, dann begann es plötzlich zu schneien.
    »Wurde ja auch Zeit!«, fluchte Jakob.
    Einer der Soldaten rief über unsere Köpfe hinweg: »Nicht weit von hier ist ein Gasthof. Ich kenne ihn gut, meine Schwester bedient dort.«
    Ein anderer grölte prompt: »Das scheint mir die Art von Gasthof zu sein, die ich mag.«
    Grobes Gelächter brach unter den Soldaten aus. Stiller ließ seine Männer gewähren, wohl in der Hoffnung, dass sich so ihre Stimmung hob.
    »Hol dich der Teufel!«, ereiferte sich der erste Soldat. »Sie schenkt dort Bier aus.«
    »Was sie mir schenken kann, wüsste ich schon!«, kam roh die Antwort.
    Erneutes Gegröle.
    Jakob sah mich an und seufzte, sagte aber kein Wort. Da ließ Dalberg sich zurückfallen, bis er an meiner Seite war. Er beugte sich zu mir herüber.
    »Mir gefällt das alles ebenso wenig wie Ihnen«, sagte er. »Aber was bleibt uns übrig?«
    Schnee wehte mir in die Augen, als ich versuchte, ihn anzusehen. »Wir sollten dieses Gasthaus aufsuchen, sonst schaffen wir es kaum bis zum Morgen.«
    Zu meiner Überraschung pflichtete Stiller mir bei.
    »Grimm hat Recht, Herr Minister. Wind und Kälte sind zu ertragen, aber das Schneetreiben macht mir Sorgen. Wir werden uns für den Rest der Nacht ein Dach überm Kopf suchen müssen.«
    So wurde denn der Beschluss gefasst, in jenem Gasthof zu nächtigen. An einem Kreuzweg bogen wir nach rechts und erreichten schon wenig später ein dürres Wäldchen, in dessen Mitte, ganz einsam, die Herberge lag. Es brannte kein Licht, als wir vor der Tür unsere Pferde zügelten.
    Der Wirt ließ uns ein, und die Schwester des Soldaten wurde aufgeweckt, uns eine warme Suppe zu bereiten. Anschließend gingen Jakob und ich zu Bett. Keines der Zimmer war belegt, und da Dalberg mit klingender Münze zahlte, war der Wirt bemüht, seinen unverhofften Gästen alles zum Besten zu bereiten.
    Irgendwann später, ich dämmerte schon im Halbschlaf, hörte ich, wie Stiller seinen Soldaten lautstark Befehl gab, die Bierkrüge stehen zu lassen und sich aufs Ohr zu legen. Draußen rüttelte der Wind an den Fensterscheiben, jaulte und sang im Gebälk, und nachdem das Getrampel der Soldaten auf dem Flur verklungen war, schlief ich endlich ein.
    Es war wohl gegen drei oder vier Uhr am Morgen, als mich ein Klopfen am Fenster aus düsteren Träumen riss. Ich sah auf und bemerkte, dass auch Jakob sich regte. Es war stockdunkel im Zimmer.
    Schon wieder das Klopfen.
    Ich sprang aus dem Bett und tappte zum Fenster. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass – Sie war es. Presste ihr schmales Gesicht gegen die Scheibe, umwirbelt vom Medusenhaupt ihres nachtschwarzen Schopfes. Eiskristalle wehten gegen ihre Wangen und schmolzen zu winzigen Tropfen. Sie hockte im Fensterbrett wie ein Vogel.
    Ich rüttelte am Fensterriegel. Er war eingerostet und klemmte, doch schließlich gab er nach. Die Scheibe schwang nach innen. Schneewolken stoben mir entgegen. Das bisschen Wärme, das der vom Wirt eilig geschürte Ofen verbreitet hatte, dampfte in grauen Wolken davon.
    Jade war fort.
    Verbissen starrte ich hinaus ins Dunkel, suchte nach einem huschenden Schatten im Schnee, nach einem Umriss, irgendeinem Zeichen. Aber da war nichts, nur eisige, klirrende Nacht.
    Jakob trat an meine Seite.
    »Sie war da«, sagte ich leise, ohne ihn anzusehen. »Nicht wahr, sie war doch da?«
    Er gab keine Antwort. Blickte nur hinaus in den wirbelnden Winter, verriegelte schließlich das Fenster und legte sich wortlos wieder zu Bett.
    Ich wischte mir über die Augen. Danach war mein Handrücken feucht. Schnee, dachte ich trostlos. Nichts als kalter, geschmolzener Schnee.
     
    * * *
     
    Wir ritten den ganzen folgenden Tag hindurch, nächtigten in einer weiteren Herberge und erreichten schließlich unser Ziel in den Mittagsstunden des zwölften Januar.
    Ich hatte vieles erwartet, eine Festung vielleicht, eine Trutzburg oder auch ein altes Lustschloss der badischen Fürsten; irgendetwas, das dem Rang eines kaiserlichen Erbprinzen gerecht werden würde. Und doch war es nichts dergleichen. Jakob war weniger erstaunt als ich, wohl weil er andere Vorstellungen gehabt hatte, weniger pompös oder gänzlich verschieden von den meinen.
    Doch ich greife vor. Erst will ich in aller Kürze beschreiben, wo wir uns befanden. Freilich, Genaues blieb auch mir verborgen, denn wir kamen nur an wenigen Wegweisern vorüber, und letztlich sah in

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