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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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über die Richtigkeit des Umzugs |77| selber nicht mehr sicher gewesen war. Es war wohl mehr ein frommer Wunsch gewesen. Er hatte sich eingeredet, er hätte endlich einen Ort gefunden, an den er gehörte, wohingegen es einfach nur ein Ort war, an den er gehören wollte.
    Sie hatten sich im Sommer 78 kennengelernt. Es war Toms erstes Jahr an der Universität im Programm für Kreatives Schreiben. In den Ferien arbeitete er als Freiwilliger in einem von der Bundesregierung subventionierten Programm im Reservat der Blackfeet in Browning. Er wollte das Interesse der jungen Leute für ihre eigene Geschichte und Kultur neu wecken. Seit Jahren war es sein Metier. Er und einer der Stammesältesten, ein Freund, wanderten mit einer Gruppe Blackfeet-Teenager durch die Front Range und schlugen irgendwann ihr Lager auf. Sie machten ein Feuer und bereiteten das Abendessen zu, als die Phantasiegestalt eines Cowgirls auf einem schwarzen Pferd heranritt. Unmissverständlich gab sie ihnen zu verstehen, dass sie unerlaubt das Weideland ihres Vaters betreten hätten. Sie trug ein weißes T-Shirt, einen schwarzen Hut und ein rotes Halstuch. Das Pferd war ständig in Bewegung, während das Mädchen sie zurechtwies. Schwer zu sagen, wer von beiden unheimlicher oder umwerfender war.
    Tom entschuldigte sich und erklärte, wer sie waren und was sie vorhatten. Fünfzehn Minuten später saß sie mit am Feuer und briet Hamburger. Sie nahm den Hut ab, schüttelte ihr Haar, das ebenso schwarz und schimmernd war wie die Mähne ihres Pferdes. Einmal hatte er einen Film gesehen, in dem etwas Ähnliches passierte. Die arrogante und wunderschöne Tochter (wahrscheinlich gespielt von Barbara Stanwyck) eines Rinderbarons ritt in einer Staubwolke heran und schrie den Hauptdarsteller an (wahrscheinlich Jimmy Stewart). Tom fiel der Filmtitel nicht ein, aber er wusste, solche Begegnungen endeten für gewöhnlich immer gleich.
    Sie erkundigte sich, ob er in der Gegend wohne, und Tom erzählte |78| ihr, er habe als Teenager hier gelebt, auf einer kleinen Ranch bei Choteau. Noch ein paar Fragen und sie erklärte, sie wisse genau, wer er sei und dass sie dieselbe Highschool besucht hätten.
    »Daran würde ich mich erinnern«, sagte Tom. Er meinte es als Kompliment – ihr Gesicht vergaß kein Mann so schnell –, aber sie verstand es als Herausforderung und führte bald den Beweis an. Sie hieß Gina Lindlaw und war zwei Jahre jünger als er. Tatsächlich waren sie in unterschiedlichen Jahrgängen auf der Junior High gewesen.
    »Der englische Junge«, sagte sie. »Jeder wusste, wer du warst. Wir versuchten immer deine Aussprache nachzuahmen.
The rain in Spain stays mainly in the plain
. Jetzt klingst du nicht mehr so. Schade eigentlich.«
    »Nun, ich kann es noch, wenn es sein muss.«
    Gina legte den Kopf zurück und lachte. Ihr Mund erinnerte mehr an Jane Russel als an Barbara Stanwyck. Tom war schon verloren.
    »Irgendwann hat man es einfach satt, dass keiner einen versteht« sagte er. »Immer
Hä? Wie bitte?
Einmal erzählte ich jemandem, ich hätte mich vor einem Aufzug eingereiht. Der Kerl sah mich nur verständnislos an. So wie du jetzt.«
    »Eingereiht vor dem Aufzug?«
    »Siehst du? Vor dem Fahrstuhl Schlange gestanden.«
    Gina lachte erneut, und die anderen, die zugehört hatten, auch. Sie alle fingen an, ihn aufzuziehen, und redeten mit englischem Akzent. Tom gab sich stolz und tat, als sei er angesäuert, dabei genoss er jede Minute.
    Gina blieb nur eine Stunde. Doch danach wusste Tom, dass sie an der Montana State ihren Master in Agrarwissenschaft machte, den Sommer über auf der Ranch mithalf und offenbar keinen Freund hatte. Er begleitete sie zu der Stelle, an der sie das Pferd angebunden hatte, und fragte, wen sie anrufen müssten, |79| wenn sie je wieder hier zelten wollten. Sie schwang sich in den Sattel. So wie sie ihn angrinste, wusste er, dass sie wusste, was er wirklich meinte.
    »Hm. Lass mich nachdenken«, sagte sie. »Nun, ich denke, du könntest mich anrufen.«
    Es war der schönste Sommer seines Lebens. Nur sechzehn Monate später heirateten sie in einer kleinen weißen Kapelle. Davor die Kühe ihres Vaters auf der von der Sonne gebleichten Weide und jenseits davon die vom Schnee bedeckten Bergkuppen.
    »Also, liebe Leute, wie war’s?«
    Der Kellner in dem schwarzen Hemd starrte auf ihre kaum angerührten Teller. Er schien es persönlich zu nehmen.
    »Hat es nicht geschmeckt?«
    »Es hat sehr gut geschmeckt«, sagte Tom. »Wir sind wohl

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