Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
Mit Lovern und so ist da wenig drin. Sag mir lieber, was du so treibst. Ein neuer Freund?«
»Ich bin auf der Suche.«
»Bist du das nicht immer?«
Brandy nuckelte an ihrem Latte. »Mister Right ist eben schwer zu finden. Außerdem gibt es so viele nette Männer da draußen, dass ich mich nicht entscheiden kann. Stell dir vor, du hast dich für einen entschieden und ihm ewige Liebe geschworen, und plötzlich kommt Prince Charming persönlich daher?«
Julie lächelte verlegen in sich hinein und hob schnell den Becher, bevor sie sich wieder durch eine verräterische Geste verriet. »Auf Prince Charming!«
»Auf Prince Charming!«, erwiderte Brandy fröhlich.
6
Es war bereits dunkel, als Julie sich auf den Heimweg machte. Auf dem schmalen Rücksitz des Pick-ups stapelten sich Papiertüten mit Lebensmitteln und auf dem Beifahrersitz lagen die neuen Jeans, die Brandy für sie mit einem großzügigen Rabatt bei Walmart gekauft hatte. Sie arbeitete in dem Laden.
Die Lichter von Fairbanks lagen schon seit über einer Stunde hinter ihr. Auf dem Highway war sie allein und hatte die Scheinwerfer ihres Pick-ups aufgeblendet. Sie ließ sich von den hellen Lichtkegeln hypnotisieren, die über die feste Schneedecke und in den Kurven über die Schwarzfichten am Waldrand wanderten. Ihr Kopf war voller Gedanken: Ihr Vater, der nur seine Arbeit zu kennen schien, ihre Freundin Brandy, die nicht müde wurde, nach ihrem Mister Right zu suchen, und John und Josh geisterten darin herum. Besonders John und Josh. Obwohl sie sich nach Kräften dagegen wehrte, verglich sie die beiden ständig miteinander, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie war froh, als ihr ein Truck entgegenkam, und sie an etwas anderes denken musste.
Julie befand sich wenige Meilen vor Healy, einem winzigen Nest, das nicht weit von der Grenze des Denali National Parks entfernt lag, als sie die Schüsse hörte. Zwei dicht aufeinanderfolgende Schüsse, deren Krachen das Röhren ihres alten Pick-ups übertönte und wie ein Echo in der Ferne verhallte. Sie trat sofort auf die Bremse und fuhr dann an den Straßenrand. Aus Gewohnheit schaltete sie die Warnblinkanlage ein. Ihr Griff nach dem Revolver blieb umsonst, sie trug weder ihren Ranger-Anorak noch war es ihr gestattet, ihre Dienstwaffe an ihren freien Tagen mitzuführen. Dennoch stieg sie aus.
Nachdem sie die Fahrertür geschlossen, den Reißverschluss ihres Anoraks hochgezogen und die Wollmütze über ihre Haare gestülpt hatte, blieb sie unschlüssig neben dem Pick-up stehen. Außerhalb der Jagdsaison bedeuteten zwei Schüsse nichts Gutes, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Hatte einer ihrer Ranger-Kollegen geschossen, um ein wildes Tier zu vertreiben? Eher nicht, ein Ranger benutzte seinen Revolver nur im äußersten Notfall und war auch viel zu erfahren, um blindlings ein wildes Tier aufzuschrecken. Ein Wilderer, der heimlich einen Elch im Nationalpark schoss? Eher unwahrscheinlich, weil zu gefährlich. Ein Wilderer schoss seine Beute in abgelegenen Gebieten, wo man seine Schüsse nicht hörte. Betrunkene Jugendliche, die auf einer Lichtung auf Konservendosen oder Flaschen schossen? Möglich, auch wenn die Jugendlichen der Gegend bei dieser Kälte lieber zu Hause blieben oder sich beim Poolbillard in der Moose Trap versuchten, einer Kaschemme in Healy.
Oder der Wolfskiller, nach dessen Spuren sie letzte Nacht vergeblich gesucht hatten? War Julie ihm durch bloßen Zufall auf die Schliche gekommen?
Sie überlegte nicht länger, zog ihre Taschenlampe aus dem Anorak und kletterte über die Leitplanke. Mit dem Lichtkegel nach einem Weg durch das Unterholz suchend, drang sie in den Wald ein. Obwohl das Echo der Schüsse längst verklungen war, glaubte sie den peitschenden Knall noch immer zu hören. Sie hatte Angst, große Angst sogar, doch sie ließ sich nicht aufhalten, weder von dem dichten Unterholz, das ihr ständig den Weg versperrte, noch von der Aussicht, sich selbst in tödliche Gefahr zu begeben. Ein Wolfskiller, der keine Skrupel kannte, diese angeblichen Bestien abzuknallen, würde auch auf einen Menschen schießen, falls er nervös wurde und in Panik geriet. Auch einem Wilderer traute Julie eine solche Schandtat zu, denn wenn sie auf frischer Tat ertappt wurden, warteten empfindliche Strafen auf sie.
Als Park Ranger war es ihre Pflicht, jeglichen Schaden von dem Naturschutzgebiet fernzuhalten, auch wenn sie sich gerade nicht im Dienst befand. Wenn sie es nicht tat, verstieß sie gegen die
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