Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
bei der Veränderung der Landschaft spielen, ist unklar.
Die ersten Wölfe kamen 1995 und 1996 in den Park, zu einer Zeit, als die nördliche Hirschherde mit 20.000 Tieren auf ihrem Höhepunkt war. Schon im Jahr darauf begannen die Weiden wieder zu wachsen. Aber es gab in den Jahren 1996 und 1997 auch Rekordfluten gefolgt von einer Serie milder Winter und trockener Sommer sowie einer Vielfalt von Schneebedingungen mit unterschiedlichem Nahrungsangebot für die Hirsche. Hinzu kommt, dass die Zahl der Elche, die ebenfalls viele Weidenbäume fressen, seit dem großen Feuer von 1988 dramatisch zurückgegangen ist. Es gibt also eine Vielzahl von Faktoren, die zur Rückkehr der Bäume führen könnte.
Ein nicht unbedeutender Faktor dabei sind aber auch die Wölfe. Die jungen Bäume in Ufernähe sind ein beliebtes Futter für Hirsche. So wurden in den letzten 20 Jahren die meisten der Bäume entlang der Flüsse nicht höher als einen Meter. Seit die Wölfe zurück sind, halten sich die Hirsche seltener in Ufernähe auf, sondern eher im offenen Tal, wo sie ihre Feinde besser im Blick haben. Und so haben in den letzten drei bis vier Jahren die Bäume erstmalig wieder eine Höhe von vier Metern erreicht. Als die Bäume wieder wuchsen, kamen auch die Biber, deren Lieblingsnahrung Pappeln und Weiden sind. Wenn sich Biber durch einen Weidenbaum fressen, treibt der Baum unter der Erde weiter aus und es entstehen neue Weiden. Mehr Bäume an Flussufern bedeutet auch mehr Vögel, kühleres Wasser und die Rückkehr von Forellen.
Es wird noch viele Jahre und Jahrzehnte dauern, bis man die ganze Komplexität erfassen kann, in der die einzelnen Faktoren des Ökosystems zueinanderpassen. Der Wolf ist mit Sicherheit ein wichtiger, unverzichtbarer Teil davon.
Zusammenfassung
Auf viele Tiere hat die Rückkehr der Wölfe nach Yellowstone einen großen Einfluss, insbesondere auf Grizzlys, Kojoten, Raben, Elstern und Adler. Diese wiederum beeinflussen andere Pflanzen und andere Tiere. Ein von Wölfen getöteter Hirsch ernährt zahlreiche andere Tierarten, von Vögeln über Larven und Käfer, bis der Rest des Kadavers wieder in die Erde übergeht und damit erneut ein Teil des Ökosystems wird.
Ohne Wölfe gibt es eine Nahrungskette, bei der der Hirsch überwiegt. Mit Wölfen werden die Nährstoffe schneller verarbeitet, weil die Beutetiere nicht mehr so lange leben. Statt einer riesigen Ladung Fleisch im Frühling gibt es jetzt das ganze Jahr über ständig etwas zu fressen, und das bereichert das komplette Ökosystem.
In Yellowstone gibt es 450 Käferarten, die von Kadavern leben; mehr als 50 davon sind direkt von dem Fleisch abhängig, das die Wölfe für sie besorgen.
Aber nicht alle Käfer ernähren sich von Fleisch, viele fressen auch andere Käfer. Eine ganze Raubtier-Beute-Gemeinde lebt in Miniatur auf jedem Kadaver.
Der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould von der Harvard-Universität hat einmal gesagt, dass die Geschichte der Natur hauptsächlich die Geschichte der Anpassung von Spezies ist, die nicht gefressen werden wollen. Jeder, der die Wölfe in Yellowstone beobachtet, kann nicht umhin, die unglaubliche Komplexität zu bemerken, die durch Prädation geschaffen wird. In einem Ökosystem ist jeder Teil mit dem anderen untrennbar verbunden und führt zu weiteren Verbindungen:
Mehr Wölfe = weniger Hirsche, mehr Bäume am Fluss, mehr Biber, mehr Vögel.
Mehr Wölfe = mehr tote Hirsche, mehr Grizzlys, mehr Beeren und Wurzeln, veränderte Vegetation, mehr Käfer, mehr Vögel.
Mehr Wölfe = weniger Kojoten, mehr Nagetiere für Beutegreifer und Greifvögel, und so weiter.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Ökosystem in den nächsten Jahrzehnten weiter anpasst oder verändert. Hier irgendwelche Voraussagen zu treffen ist unmöglich, da es zu viele unbekannte Faktoren gibt. Vieles kann sich ändern und sämtliche Spekulationen über den Haufen werfen. Harte Winter, trockene Sommer, Waldbrände, Krankheiten bei den Wölfen und ihren Beutetieren, all dies kann die Situation langfristig ändern. Weiterhin ist entscheidend, in welchem Rahmen sich die Wolfspopulation entwickelt. Ist der Höhepunkt überschritten, werden weniger Welpen geboren, die auch weniger wiegen. In der Folge kann es vermehrt zu Rudelstreitigkeiten und Rivalitäten kommen, weil das Territorium knapp wird. Einzelne Wolfsrudel werden in Gebiete ausweichen, die – mangels entsprechender Beutetiere – eigentlich nicht für sie geeignet sind, oder sie ziehen in
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