Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Seminar »Ökologie von Wölfen und Bären« teilzunehmen, das von der Yellowstone Association veranstaltet wird. Unsere Lehrer sind Brian Beck, ein Bärenspezialist, der für den Park Service im Glacier-Nationalpark arbeitet, David Gaillard von der Predator Alliance sowie Norman Bishop, der 36 Jahre beim Park Service gearbeitet hat, davon 17 in Yellowstone. Norm, wie ihn alle nennen, war von 1985 bis 1997 leitend bei der Aufklärungskampagne für die Wiederansiedlung der Wölfe tätig. Er hat für seine Arbeit mehrere Auszeichnungen bekommen.
Im Augenblick jedoch kommen wir mit dem Unterricht nicht weiter. Gerade als sich unsere Lehrer vorstellen wollen, werden wir durch einen Blick aus dem Fenster abgelenkt. Dort draußen – quasi im Panoramabild – spielt sich ein Drama ab. Eine kleine Gruppe Wapiti-Hirsche hat sich eng zusammengeschlossen und rennt plötzlich los, gefolgt von drei Wölfen. Nach einer kurzen Hetzjagd geben die Wölfe auf, und wir erfahren hautnah etwas über das Jagdverhalten der Beutegreifer.
Wenige Zeit später »stört« erneut ein Wolf den Unterricht, weil er mit einem Raben spielt. Schmunzelnd beobachten wir die Interaktion. Konzentrieren können wir uns erst wieder, als die Sonnenblenden vor den Fenstern heruntergezogen werden und Norm mit der Dia-Show beginnt. Im Laufe des Tages haben die Wölfe ein Einsehen und lassen sich – vorerst – nicht mehr blicken, sodass wir uns in Ruhe auf den Stoff konzentrieren können.
Dies ist eines von vielen Seminaren des Yellowstone-Institutes, die ich hier besucht habe. Ich komme gerne hierher. Die Atmosphäre ist international und doch familiär, die Lehrer sind erstklassige und bekannte Spezialisten in ihrem Fach, und die Lage des Klassenzimmers ist ohne Übertreibung spektakulär.
Die meisten Kurse finden auf der historischen Buffalo Ranch in einer Hütte statt, die aus dicken Holzstämmen gebaut ist. Hier herrscht eine entspannte, gemütliche Stimmung. In der großen Küche bereiten die Studenten ihre eigenen Mahlzeiten zu oder bringen unterschiedlichste Gerichte zum Potluck-Dinner mit. In der Kaffeemaschine brodelt stets ein Vorrat an dünnem Kaffee. Im Winter und bei Schlamm lautet die strickte Anweisung im Schulungsraum »Shoes off«. In dieser Zeit mischt sich in den Geruch des Kaffees gelegentlich der von verschwitzten Socken, was aber niemanden sonderlich zu stören scheint. Der Abendunterricht findet im Sommer am Lagerfeuer statt.
Das Beste an diesem Klassenraum ist natürlich der Ausblick auf das Lamar Valley. An fast jedem Fenster steht ein Spektiv oder liegt ein Fernglas, damit man möglichst schnell sehen kann, was im Tal so vor sich geht. Die Konzentration fällt schwer, wenn draußen Bär und Wolf steppen. Da dies die Veranstalter auch wissen, haben sie wohlweislich den Unterricht in die »tierfreie« Zeit gelegt, also meist von 9 bis 12 und von 15 bis 16 Uhr. Davor, dazwischen und danach gibt es jede Menge Feldexkursionen. Morgens bei Sonnenauf- und abends bis zum Sonnenuntergang stehen Wolfs- und Bärenbeobachtungen auf dem Programm, mittags wandern wir und studieren die Landschaft, die Tiere oder die Pflanzen. Wir beobachten Grizzlys, kriechen in eine verlassene Wolfshöhle oder picknicken im Rose-Creek-Gehege, dem einstigen Wolfsgehege des Rose-Creek-Rudels von 1995. Im Winter wird mit Schneeschuhen oder Langlaufski gewandert und das Überleben bei Eis und Schnee geübt.
Die Yellowstone Association ist eine gemeinnützige Organisation, die Informations- und Aufklärungsprogramme über den Nationalpark finanziert und organisiert. Die Idee dazu entstand im Yosemite-Nationalpark. 1920 erkannte ein Ranger, dass der neu entstandene National Park Service mit seiner begrenzten Anzahl von Angestellten nicht das Bedürfnis nach Informationen erfüllen konnte. Dieser Ranger gründete zusammen mit anderen Interessierten die »Yosemite Museum Association«, die private Spenden sammelte, um ein Museum und ein Besucherzentrum zu bauen.
Aus dieser ersten Organisation entstanden über sechzig weitere Nationalpark-Gesellschaften. Jede von ihnen ist eine eigenständige gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Parkbesuchern Aufklärungsmaterial zur Verfügung zu stellen und historische und wissenschaftliche Projekte innerhalb des jeweiligen Parks zu unterstützen.
Die »Yellowstone Association for Natural Science, History, and Education, Inc.« (kurz: Yellowstone Association) wurde 1933 gegründet – ursprünglich mit dem
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