Die Woelfin
dem Toben und Tosen ringsum stand Gabriel, einem Fels in der Brandung gleich, unbeweglich und ungerührt, als ginge ihn all das nichts an; als wäre nicht er derjenige, der die Gewalten entfesselt hätte, auf daß sie gestohlenes Leben freigaben.
Für den Knaben jedoch hatte Landru keinen Blick übrig. Er war allein mit sich beschäftigt, mit den Qualen, die er durchlitt, und den Dingen, die in ihn drangen und unter deren Wucht er schließlich niedersank - auf einen Boden, der sich in brodelnden Schlamm verwandelt hatte, der stinkende Gase entließ, und Landru suhlte sich schmerzgepeinigt darin, zuckend wie ein Wurm, wimmernd wie ein Kind.
Die Wiedergeburt eines Gottes -
- und doch ein erbärmliches und entwürdigendes Schauspiel ...
Trümmer, unsichtbar und tonnenschwer, schienen auf den Vampir
niederzustürzen, trafen ihn mit zermalmender Gewalt, drangen in ihn und verschmolzen mit seinem Leib und schließlich seinem Ich.
Sein Geist drohte zu zerbrechen an der unsäglichen Pein, und er suchte nach Rettung, indem er sich an einzelne Fragmente klammerte, derer er habhaft werden konnte.
Teile eines Lebens erstanden neu vor Landrus innerem Auge, dessen Blick ungetrübt blieb, während seine eigentlichen Augen längst blind geworden waren von dem Licht und der Gluthitze.
Und so sah Landru -
- sich selbst und eine Zahl anderer, die waren wie er, in einem fremden Land in ferner Zeit, in der ein ganzes Volk sie als Götter verehrte! Diese anderen waren seine leiblichen Brüder und Schwestern, und sie waren geboren am Anfang der Zeit, aus dem Schoß eines Wesens, das die Urmutter aller Vampire war: Lilith, Adams erstes Weib ...
Landru sah -
- zwei gewaltige Schiffe; das eine von Menschen im Auftrag ihres Gottes gebaut - das andere von Menschen auf Geheiß ihrer Götter hin. Das eine hieß man die Arche Noah, das andere die Dunkle Arche ...
Landru sah -
- einen gewaltigen Regen, der die Welt verschlang. Nur jene, die in den Archen Zuflucht fanden, überdauerten die Flut. Er selbst, Landru, und seine vergötterten Geschwister überstanden die Zeit in der Dunklen Arche, die schließlich in einem gewaltigen Berg vor Anker ging und eins mit dem Fels wurde. Dort legten sich die Hohen, wie sie sich nannten, zur Ruhe, für eine sehr lange Zeit, und nur einer von ihnen erwachte in tausend Jahren, um hinauszugehen und die ihm übertragene Aufgabe auszuüben: das Amt des Kelchhüters ...
Landru sah -
- sich selbst als Hüter des Grals der Alten Rasse um die Welt reisen. Mit dem Kelch taufte er den Nachwuchs der Vampirsippen, und sein tausend-jähriges Wirken war geprägt von abertausenden Dingen, die er zu tun hatte, um die Entwicklung der Alten Rasse auf dem rechten Weg zu halten ...
Landru sah -
- seine Rückkehr in den Dunklen Dom, die Heimstatt der Hüter im Berge Ararat, wo er den Lilienkelch an seinen Nachfolger im Hüteramt übergeben mußte, wie die Tradition es forderte. Doch er tat es nicht - und beschwor damit den Niedergang seines ganzen Volkes herauf!
Landru sah -
- seinen Kampf mit Felidae, der Diebin des Kelches! Sie hatte den Gral im Auftrag einer höheren Macht verschwinden lassen, für viele Jahrhunderte. Und fortan war den Sippen kein Nachwuchs mehr beschert worden. Das Volk der Vampire begann zu degenerieren - langsam, aber sicher .
Landru sah -
- wie er sich, nicht länger Hüter, auf die Jagd nach dem Kelch gemacht hatte. Fast dreihundert Jahre lang war er jeder Spur gefolgt, ohne den Gral zu finden .
Landru sah -
- das Haus in der Paddington Street in Sydney. Darin gebar die Hure Creanna ihr Balg, Lilith Eden, zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Vampir. Das Kind zweier Welten sollte über das Schicksal der Alten Rasse entscheiden. Und so war es geschehen .
Denn Landru sah -
- wie Lilith Eden ihre Bestimmung erlangte! Am Anfang der Zeit hatte sie Gott (Landru stöhnte auf) mit der Urmutter der Vampire versöhnt, und der Verhaßte hatte daraufhin den Kelch vergiftet mit einem todbringenden Keim - den am Ende Landru selbst über die Vampire der Gegenwart gebracht hatte .
Landru sah -
- das Sterben der Alten Rasse in aller Welt. Nur die Oberhäupter überlebten die Seuche, diesen Zorn Gottes, denn sie waren nur die Träger des Keims und übertrugen ihn auf ihre Blutkinder. Und auch er, Landru, hatte diesen Keim in sich gehabt. (Immer noch?)...
Landru sah -
- wie er sich um die Reinigung des Kelchs bemühte und ihn schließlich verloren geben mußte. Statt dessen glaubte
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