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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Wand eingezogen worden, um uns von ihnen zu trennen, aber die Kantine benutzten wir auch weiterhin gemeinsam, sodass wir zusammen mit der Wehrmacht die Besteigung des Elbrusgipfels,des höchsten Kaukasusbergs, durch eine PK der 1. Gebirgsdivision feiern konnten. Dr. Müller war mit seinem Kommando abgerückt und hatte ein Teilkommando unter Werner Kleber zurückgelassen, das die Säuberung von Woroschilowsk zu Ende führen sollte. Bierkamp wartete noch auf das Eintreffen des Brigadeführers Gerret Korsemann, des neuen HSSPF für den Kuban-Kaukasus. Seiberts Nachfolger war noch immer nicht eingetroffen, daher hatte Hauptsturmführer Prill die kommissarische Führung übernommen. Prill schickte mich mit einem Auftrag nach Maikop.
    Im Sommer verwehrten ständige Dunstschleier den Blick auf die Berge des Kaukasus, bis man zu ihren Füßen stand. Ich überquerte ihre hügeligen Ausläufer bei Armawir und Labinsk; sobald wir die Kosakengebiete verlassen hatten, flatterten osmanische Flaggen, grün mit weißem Halbmond, auf den Häusern, von Moslems aufgezogen, um uns willkommen zu heißen. Die Stadt Maikop, eines der wichtigsten Erdölzentren des Kaukasus, schmiegte sich eng ans Gebirge, von der Belaja abgeschirmt, einem tiefen Fluss, auf den die Altstadt von der Höhe eines Kreidefelsens hinabblickt. Vor den Randbezirken führte die Straße an einer Eisenbahnlinie vorbei, auf der Tausende von Güterwagen standen, hochbeladen mit erbeutetem Kriegsmaterial, zu dessen Abtransport die Sowjets nicht mehr gekommen waren. Dann überquerten wir eine unbeschädigte Brücke und fuhren in die Stadt hinein, die von einem Netz rechtwinkliger, völlig identischer Straßen durchzogen war und zu beiden Seiten von einem Kulturpark eingefasst wurde, in dem die Gipsstandbilder der Helden der Arbeit zerbröckelten. Braune, der mit seinem Gesicht unter der gewölbten Stirn an ein Pferd erinnerte, empfing mich ganz geschäftig: Ich spürte, dass es ihn beruhigte, einen der letzten von »Ohlendorfs Leuten« bei sich zu sehen, die in der Gruppe verblieben waren, auch wenn er seine eigene Ablösung jede Woche erwartete. Braunesorgte sich um die Erdölanlagen von Neftegorsk: Kurz vor der Eroberung der Stadt war es der Abwehr gelungen, die »Schamil«, eine Spezialeinheit aus Bergbewohnern des Kaukasus, die als Bataillon des NKWD getarnt war, mit dem Auftrag, die Erdölquellen intakt in ihre Hand zu bringen, in die Stadt zu schleusen; doch das Unternehmen war fehlgeschlagen, und die Russen hatten die Anlagen vor den heranrollenden Panzern in die Luft gejagt. Unsere Spezialisten waren allerdings schon damit beschäftigt, sie wieder instand zu setzen, und schon tauchten die ersten Geier der Kontinental Öl AG auf. Diese Bürokraten, die alle zu Görings Vierjahresplanorganisation gehörten, genossen die Unterstützung von Arno Schickedanz, dem designierten Reichskommissar des Kuban-Kaukasus. »Sie wissen sicherlich, dass Schickedanz seine Ernennung Minister Rosenberg verdankt, mit dem er das Gymnasium in Riga besucht hat. Doch er hatte sich mit seinem alten Schulfreund zerstritten. Es heißt, Herr Körner, der Staatssekretär des Reichsmarschalls Göring, habe die beiden wieder zusammengebracht; und Schickedanz ist in den Verwaltungsrat der KontiÖl berufen worden, der Gesellschaft, die vom Reichsmarschall gegründet wurde, um die Erdölfelder des Kaukasus und Bakus auszubeuten.« Braune meinte, wenn der Kaukasus unter zivile Verwaltung käme, könne man sich auf eine noch chaotischere und unkontrollierbarere Situation gefasst machen als in der Ukraine, wo Gauleiter Koch nach Gutdünken regiere und weder mit der Wehrmacht und der SS noch mit seinem eigenen Ministerium zusammenarbeiten wolle. »Der einzige positive Aspekt für die SS besteht darin, dass Schickedanz SS-Offiziere als Generalkommissare für Wladikawkas und Aserbaidshan eingesetzt hat: Zumindest in diesen Generalkommissariaten wird es die Beziehungen erleichtern.«
    Drei Tage arbeitete ich mit Braune zusammen und half ihm bei der Abfassung der Dokumente und Übergabeberichte.Meine einzige Zerstreuung bestand darin, schlechten einheimischen Wein im Hof einer Schenke zu trinken, die von einem runzeligen alten Gebirgsbewohner betrieben wurde. Immerhin machte ich, nicht ganz zufällig, die Bekanntschaft eines belgischen Offiziers, des Kommandeurs der Legion Wallonien, Lucien Lippert. Eigentlich hätte ich Léon Degrelle kennenlernen wollen, den Chef der rexistischen Bewegung, der hier in der

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