Die Wohlgesinnten
als notwendig erweise – einen schönen SS-Mann für meine Befruchtung suchen. Einen Mann – wie hat sie sich noch mal ausgedrückt? –, der anständig, langköpfig, Träger eines völkischen Willens und gesund an Körper und Seele sei. Sie hat mir erklärt, es gebe eine SS-Dienststelle, die sich mit rassenhygienischer Hilfe dieser Art beschäftige und an die ich mich getrost wenden könne. Stimmt das?« – »Ich habe so was läuten hören. Es ist ein Projekt des Reichsführers und nennt sich Lebensborn . Aber ich weiß nicht, wie das abläuft.« – »Sie sind wirklich krank. Bist du sicher, dass es nicht einfach ein Bordell für SS-Männer und Frauen aus besseren Kreisen ist?« – »Nein, nein, das ist es nicht.« Skeptisch wiegte sie den Kopf. »Jedenfalls wird dir die Schlusspointe gefallen: Vom Heiligen Geist werden Sie bestimmt kein Kind bekommen , hat sie zu mir gesagt. Ich musste mich zusammennehmen, um nicht zu antworten, dass ich mir keinen SS-Mann vorstellen könnte, der patriotischgenug wäre, um sie zu schwängern.« Wieder lachte sie und trank. Sie hatte ihr Essen kaum angerührt, aber fast eine ganze Flasche Wein allein geleert; trotzdem blieb ihr Blick klar, sie war nicht betrunken. Zum Dessert schlug uns der Kellner Pampelmuse vor: Seit Kriegsbeginn hatte ich keine mehr gegessen. »Sie kommen aus Spanien«, erläuterte er. Una wollte keine; sie sah mir zu, wie ich meine schälte und probierte; ich gab ihr einige leicht gezuckerte Stücke zu kosten. Dann brachte ich sie in die Eingangshalle zurück. Ich betrachtete sie, auf der Zunge hatte ich immer noch den süßen Geschmack der Pampelmuse: »Schlaft ihr in einem Zimmer?« – »Nein«, antwortete sie, »das wäre zu kompliziert.« Sie zögerte, berührte dann meinen Handrücken mit ihren ovalen Fingernägeln: »Wenn du möchtest, komm auf ein Glas mit rauf. Aber keine Dummheiten, hörst du? Danach gehst du.« Auf ihrem Zimmer legte ich meine Mütze ab und setzte mich in einen Sessel. Una zog die Schuhe aus und ging auf Seidenstrümpfen über den Teppich, um mir einen Kognak einzugießen; dann setzte sie sich mit gekreuzten Beinen aufs Bett und zündete sich eine Zigarette an. »Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.« – »Von Zeit zu Zeit«, erwiderte sie, »wenn ich trinke.« Ich fand sie schöner als alles auf der Welt. Ich erzählte ihr von meiner Absicht, einen Posten in Frankreich anzunehmen, und von den Schwierigkeiten, auf die ich stieß. »Du solltest Berndt fragen«, sagte sie. »Er hat viele hochrangige Freunde bei der Wehrmacht, Kameraden aus dem Weltkrieg. Vielleicht kann er etwas für dich tun.« Diese Worte entfachten wieder meine unterdrückte Wut: »Berndt! Du redest von nichts anderem.« – »Beruhige dich, Max. Er ist mein Mann.« Ich stand auf und ging mit raschen Schritten im Zimmer hin und her. »Das ist mir scheißegal! Er ist ein Eindringling, er soll sich gefälligst nicht zwischen uns drängen.« – »Max.« Sie blieb ruhig, ihr Blick gelassen. »Er steht nicht zwischen uns. Das Uns, von dem du sprichst, gibtes nicht, gibt es nicht mehr, das hat sich aufgelöst. Berndt ist mein Leben, mein tägliches Leben, das musst du endlich begreifen.« Meine Wut hatte sich so sehr mit meinem Verlangen vermischt, dass ich nicht mehr wusste, wo das eine begann und das andere endete. Ich trat zu ihr und fasste sie an beiden Armen: »Küss mich!« Sie schüttelte den Kopf; zum ersten Mal sah ich einen harten Blick an ihr. »Fang nicht wieder an!« Ich fühlte mich schlecht, bekam keine Luft; völlig gebrochen ließ ich mich neben ihr Bett fallen, den Kopf auf ihren Knien wie auf einem Richtblock. »In Zürich hast du mich geküsst«, schluchzte ich. »In Zürich bin ich betrunken gewesen.« Sie rückte ein Stück zur Seite und klopfte mit der Hand auf die Bettdecke. »Komm, leg dich neben mich.« Immer noch gestiefelt und gespornt, kletterte ich zu ihr ins Bett und rollte mich an ihren Beinen zusammen. Ich glaubte, sie durch die Strümpfe zu riechen. Sie strich mir übers Haar. »Mein armer kleiner Bruder«, murmelte sie. Unter Tränen lachend, brachte ich hervor: »So nennst du mich, weil du eine Viertelstunde vor mir geboren bist, weil sie dir den roten Faden ums Handgelenk gebunden haben.« – »Ja, aber es gibt noch einen anderen Unterschied: Ich bin jetzt eine Frau, und du bist ein kleiner Junge geblieben.« In Zürich war es anders gelaufen. Sie hatte viel getrunken, ich hatte getrunken. Nach dem Essen waren wir
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