Die Wohlgesinnten
auf die Gestalt, gegen die ich gestoßenwar: Es war eine Leiche, wie ich instinktiv gespürt hatte, und jetzt sah ich auch, dass der Teppich mit Blut getränkt war, dass ich in einer Blutlache ging, die über den Teppich hinauslief und sich auf den Steinplatten ausbreitete, unter dem Tisch, bis an die Glastür. Der Schrecken, das Grauen lösten in mir den panischen Impuls aus, zu fliehen, mich an irgendeinem dunklen Ort zu verkriechen; ich versuchte, mich wieder zu fassen, und zog meine Dienstwaffe, die an meinem Koppel hing. Mit dem Daumen versuchte ich, sie zu entsichern. Dann näherte ich mich der Leiche. Ich wollte vermeiden, in das Blut zu treten, aber das war unmöglich. Von Nahem erkannte ich – aber das wusste ich bereits –, dass es Moreau war, die Brust eingedrückt, der Hals halb durchtrennt, die Augen noch offen. Die Axt, die ich in der Küche gelassen hatte, lag im Blut neben der Leiche; dieses fast schwarze Blut durchtränkte seine Kleidung, hatte sein leicht schiefes Gesicht und den halb ergrauten Schnurrbart bespritzt. Ich blickte mich um, sah aber nichts. Die Glastür schien geschlossen zu sein. Ich kehrte in die Küche zurück, öffnete die Abstellkammer, da war niemand. Meine Stiefel hinterließen große Blutspuren auf den Fliesen: Ich öffnete die Tür des Lieferanteneingangs, trat hinaus und wischte sie im Gras ab, wobei ich aufmerksam in die Tiefe des Parks spähte. Doch auch da war nichts. Der Himmel wurde heller, die Sterne begannen zu verlöschen. Ich ging um das Haus herum, öffnete die Haupttür und ging ins obere Stockwerk hinauf. Mein Zimmer war leer; das der Zwillinge ebenfalls. Die Pistole noch immer umklammernd, stand ich vor der Zimmertür meiner Mutter. Ich streckte die linke Hand nach dem Türgriff aus: Meine Finger zitterten. Ich riss mich zusammen und öffnete die Tür. Die Läden waren geschlossen, es war dunkel; auf dem Bett konnte ich eine graue Gestalt erkennen. »Mama?«, murmelte ich. Tastend, die Waffe im Anschlag, suchte ich den Schalter und machte Licht. MeineMutter lag quer über dem Bett, in einem Nachthemd mit Spitzenkragen; ihre Füße ragten etwas über den Rand hinaus, der eine steckte noch in einem Hausschuh, der andere, nackt, hing herab. Obwohl schreckensstarr, vergaß ich nicht, hinter der Tür nachzuschauen und mich rasch unter das Bett zu bücken: abgesehen von dem heruntergefallenen Hausschuh, war nichts darunter. Am ganzen Körper zitternd, trat ich näher. Ihre Arme lagen auf der Tagesdecke, das Nachthemd, ordentlich bis zu den Füßen herabgezogen, war nicht zerdrückt, sie schien sich nicht gewehrt zu haben. Ich beugte mich hinunter und hielt mein Ohr dicht an ihren offenen Mund: Es war kein Atemzug zu hören. Ich wagte nicht, sie zu berühren. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und rote Male an ihrem dürren Hals. Himmel, dachte ich, sie ist erdrosselt worden, meine Mutter ist erdrosselt worden. Ich untersuchte das Zimmer. Nichts war in Unordnung gebracht, die Schubladen der Kommoden waren alle geschlossen, die Schränke auch. Ich ging ins Boudoir hinüber, es war leer, alles schien an seinem Platz zu sein, ich kehrte ins Schlafzimmer zurück. Auf der Tagesdecke, dem Teppich, ihrem Nachthemd sah ich es dann, es waren überall Blutflecken: Der Mörder musste zuerst Moreau getötet haben und dann hierherauf gekommen sein. Die Angst schnürte mir die Luft ab, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Das Haus durchsuchen? Die Zwillinge suchen und sie ausfragen? Die Polizei rufen? Ich hatte keine Zeit, ich musste meinen Bus bekommen. Vorsichtig, ganz vorsichtig nahm ich den herabhängenden Fuß und legte ihn aufs Bett zurück. Ich hätte ihr auch den heruntergefallenen Hausschuh anziehen müssen, hatte aber nicht den Mut, meine Mutter noch einmal zu berühren. Fast rückwärts gehend, verließ ich den Raum. In meinem Zimmer stopfte ich meine wenigen Sachen in den Kleidersack und verließ das Haus, die Eingangstür schloss ich hinter mir. An meinen Stiefeln klebte noch Blut, ich spülte sie ineiner stehengelassenen Schüssel mit ein wenig Regenwasser ab. Keine Spur von den Zwillingen: Sie mussten weggelaufen sein. Wie auch immer, diese Kinder gingen mich nichts an.
Die Reise lief wie ein Film ab, ich dachte an nichts, ein Verkehrsmittel folgte auf das andere, ich zeigte meine Fahrscheine vor, wenn ich dazu aufgefordert wurde, die Obrigkeit machte mir keine Schwierigkeiten. Nachdem ich das Haus verlassen hatte und mich auf dem Weg in die Stadt befand, war
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