Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
Vom Netzwerk:
Aufsatzsammlung von Maurice Blanchot mitgenommen, die ich in Paris gekauft und deren Lektüre ich noch einmal von vorn begonnen hatte; nach Tagen intensiver Gespräche bereitete es mir großes Vergnügen, in diese so ganz andere Welt voller Licht und Gedankenreichtum einzutauchen. Aber kleine Zwischenfälle beeinträchtigten weiterhin meine Ruhe; offenbar konnte es in diesem Deutschen Haus nicht anders sein. Eines Abends war ich – unruhig und zu zerstreut, um zu lesen – in die Bar hinuntergegangen, um einen Schnaps zu trinken und zu plaudern (ich kannte inzwischen die meisten Stammgäste). Als ich wieder hinaufging, war es dunkel, und ich täuschte mich im Zimmer; die Tür war offen, und ich trat ein: Auf dem Bett beschliefen zwei Männer gleichzeitig ein Mädchen, der eine auf dem Rücken liegend, der andere kniend; das Mädchen, ebenfalls auf den Knien, zwischen beiden. Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was ich sah, und als sich die Dinge, wie im Traum, endlich zu einem verständlichen Bild fügten,murmelte ich eine Entschuldigung und wollte wieder hinausgehen. Aber der Mann auf den Knien, der bis auf seine Stiefel nackt war, zog sich zurück und stand auf. Seinen aufgerichteten Schwanz mit einer Hand haltend und sachte reibend, machte er mir mit der anderen ein Zeichen, als wolle er mich auffordern, seinen Platz zwischen den Hinterbacken des Mädchens einzunehmen, wo der Anus, von einer rosa Aureole umgeben, zwischen den beiden weißen Kugeln wie eine Muschel klaffte. Von dem anderen Mann sah ich nur die behaarten Beine, die Hoden und den Schwanz, der im Pelz der Vagina verschwand. Das Mädchen stöhnte träge. Wortlos lächelte ich, schüttelte den Kopf und schloss leise die Tür. Danach verspürte ich noch weniger Lust, mein Zimmer zu verlassen. Doch als Höfle mich zu einem Empfang unter freiem Himmel einlud, den Globocnik zum Geburtstag des Standortkommandanten gab, sagte ich gern zu. Die festliche Veranstaltung fand in der Julius-Schreck-Kaserne statt, dem Stabsquartier der SS: Hinter einem klobigen alten Gebäude erstreckte sich ein hübscher Park mit grünem Rasen, hohen Bäumen im Hintergrund und Blumenbeeten an der Seite; dahinter sah man noch einige Häuser, dann Äcker und Felder. Lange Holztafeln lagen auf Böcken, die Gäste standen in Gruppen auf dem Rasen und tranken; vor den Bäumen über extra zu diesem Zweck ausgehobenen Gruben brieten ein ganzer Hirsch und zwei Schweine über offenem Feuer, von Mannschaftsdienstgraden betreut. Der Spieß, der mich am Eingang in Empfang genommen hatte, führte mich direkt zu Globocnik, der mit seinem Ehrengast, Generalleutnant Moser, und einigen Amtsträgern in Zivil zusammenstand. Obwohl es noch nicht einmal Mittag war, trank Globocnik bereits Kognak und rauchte eine dicke Zigarre; sein rotes Gesicht über dem hochgeschlossenen Kragen war verschwitzt. Bei der Gruppe angelangt, schlug ich die Hacken zusammen, grüßte, dann schüttelte Globocnik mir die Hand und stelltemich den anderen vor; ich gratulierte dem General zu seinem Geburtstag. »Nun, Sturmbannführer«, fragte mich Globocnik, »kommen Sie mit Ihren Untersuchungen voran? Was haben Sie festgestellt?« – »Es ist noch ein wenig früh für Schlussfolgerungen, Gruppenführer. Außerdem handelt es sich eher um technische Probleme. In Bezug auf die Nutzung der Arbeitskräfte lassen sich sicherlich Verbesserungen vornehmen.« – »Es gibt immer was zu verbessern! Für einen wahren Nationalsozialisten gibt es jedenfalls nur Bewegung und Fortschritt. Sprechen Sie mit unserem Herrn General hier: Er hat sich gerade beklagt, dass wir ihm einige Juden aus den Fabriken der Wehrmacht entführt haben. Erklären Sie ihm, dass er sie nur durch Polen ersetzen muss.« Der General warf ein: »Mein lieber Globocnik, ich beklage mich ja gar nicht; ich verstehe diese Maßnahmen so gut wie jeder andere. Ich habe nur gesagt, dass die Interessen der Wehrmacht berücksichtigt werden müssen. Viele Polen sind zur Arbeit ins Reich geschickt worden, und die, die hiergeblieben sind, müssen angelernt werden, das dauert seine Zeit; durch einseitiges Handeln schaden Sie der Kriegsproduktion.« Globocnik ließ sein grobes Lachen ertönen: »Eigentlich wollen Sie doch sagen, mein lieber Moser, dass die zu dämlich sind, um anständig arbeiten zu lernen, und dass die Wehrmacht deshalb lieber Juden nimmt. Sie haben schon Recht, die Juden sind schlauer als die Polen. Daher sind sie auch gefährlicher.« Er unterbrach

Weitere Kostenlose Bücher