Die Wohlgesinnten
Am Institut für Weltwirtschaft? Ich habe dort auch einen Teil meiner Studien absolviert. Bei Professor Jessen.« – »Den kenne ich gut. Ich habe Völkerrecht bei Professor Ritterbusch gehört.« Wir tauschten noch einen Augenblick Erinnerungen an Kiel aus; wie ich feststellte, sprach Morgen sehr gut Französisch und noch vier weitere Sprachen. Dann kam ich wieder auf unser ursprüngliches Thema zurück: »Warum haben Sie in Lublin begonnen?« – »Zunächst um Koch zu fassen. Das habe ich fast geschafft. Und dann lieferte mir die Beschwerde des Distrikts einen guten Vorwand. Aber hier geschehen höchst seltsame Dinge. Vor meiner Ankunft habe ich einen Bericht des KdS über eine jüdische Hochzeit in einem Arbeitslager erhalten. Es sollen mehr als tausend Hochzeitsgäste dort gewesen sein.« – »Ich verstehe nicht ganz.« – »Ein Jude, ein wichtiger Kapo, hat in diesem Judenlager geheiratet. Es gab dort unvorstellbare Mengen an Lebensmitteln und Alkohol. SS-Wachpersonal hat daran teilgenommen. Da muss es doch kriminelle Machenschaften gegeben haben.« – »Wo ist das passiert?« – »Ich weiß nicht. Nach meiner Ankunft in Lublin habe ich Müller gefragt; er hat sich sehr unbestimmt ausgedrückt. Er hat mich ins Lager der DAW geschickt, aber dort wussten sie von nichts. Dann wurde mir geraten, Wirth aufzusuchen, einen Kriminalkommissar, wissen Sie, wer das ist? Und Wirth hat mir gesagt, dass es stimme und dass das seine Methode der Judenvernichtung sei: Er gebe einigen Privilegien, die ihm dann helfen, die anderen zu töten; anschließend töte er auch seine Handlanger. Ich wollte mehr darüber wissen, aber der Gruppenführerhat mir verboten, in die Lager des Einsatzes zu gehen, und der Reichsführer hat dieses Verbot bestätigt.« – »Sie sind für die ›Aktion Reinhardt‹ überhaupt nicht zuständig?« – »Nicht, was die Vernichtungsaktion angeht, nein. Aber niemand hat mir verboten zu untersuchen, was mit dem beschlagnahmten Besitz passiert. Der Einsatz bringt enorme Gelder – in Gold, Devisen und anderen Wertgegenständen. All das gehört dem Reich. Ich habe schon ihre Lagerhäuser hier, in der Chopinstraße, angesehen, und ich gedenke weiterzuermitteln.« – »Alles, was Sie da sagen«, bemerkte ich mit großem Nachdruck, »ist außerordentlich interessant für mich. Ich hoffe, wir können uns noch einmal eingehender darüber unterhalten. In gewisser Hinsicht ergänzen sich unsere Aufträge.« – »Ja, ich verstehe, was Sie sagen wollen: Der Reichsführer will da überall Ordnung schaffen. Vielleicht können Sie ja, da Ihnen weniger Misstrauen entgegengebracht wird, Dinge herausfinden, die mir verborgen bleiben. Wir werden uns wiedersehen.«
Seit einigen Minuten rief Globocnik die Gäste zu Tisch. Ich saß Kurt Claasen gegenüber, einem Kameraden von Höfle, und neben einer äußerst redseligen SS-Sekretärin. Sie wollte mich gleich in eine Unterhaltung über ihre Liebesenttäuschungen verwickeln, doch zum Glück begann Globocnik mit einer Rede zu Ehren des Generals Moser, die sie nötigte, sich noch etwas zu gedulden. Er kam rasch zum Schluss, woraufhin sich alle Anwesenden erhoben, um auf Mosers Wohl zu trinken; anschließend fand der General ein paar Dankesworte. Das Essen wurde aufgetragen: Die am Spieß gebratenen Tiere waren kunstvoll zerlegt und auf Platten angerichtet, die so auf die Tische verteilt wurden, dass sich jeder nach Belieben bedienen konnte. Außerdem gab es Salate und frisches Gemüse – ein köstliches Essen. Die Sekretärin knabberte an einer Karotte und begann sofort wieder mit ihrer Geschichte: Ich hörte nur mit einem Ohr zu und widmetemich dem Essen. Sie erzählte von ihrem Verlobten, einem Hauptscharführer, der in Galizien stationiert war, in Drohobycz. Es war eine tragische Geschichte: Sie hatte seinetwegen ihre Verlobung mit einem Wiener Soldaten gelöst, während er verheiratet war, jedoch mit einer Frau, die er nicht liebte. »Er wollte sich scheiden lassen, aber ich habe eine Dummheit begangen, ich habe den Soldaten wiedergesehen, von dem ich mich getrennt hatte, er hat mich darum gebeten, und ich habe Ja gesagt, und Lexi« – der Verlobte – »hat es erfahren, und das hat ihn abgeschreckt, weil er sich meiner nicht mehr sicher war, und er ist nach Galizien zurückgekehrt. Doch zum Glück liebt er mich noch immer.« – »Und was macht er in Drohobycz?« – »Er ist bei der Sipo, er gibt den General für die Juden auf der Durchgangsstraße.« –
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