Die Wohlgesinnten
und Polizeigericht XII in Kassel –, genauer mit dem Lagerkommandanten, einem gewissen Koch. Die Ermittlungenwurden jedoch blockiert: Obergruppenführer Pohl hat Koch daraufhin ein Glückwunschschreiben geschickt, in dem es unter anderem hieß, er werde sich jedes Mal vor ihn stellen, wenn irgendein Anwalt jemals versuchen wird, seine schmutzigen Henkershände nach Deinem unschuldigen Körper auszustrecken . Das weiß ich, weil Koch diesen Brief überall herumgereicht hat. Aber ich habe nicht lockergelassen. Koch wurde als Lagerkommandant hierher versetzt, und ich bin ihm gefolgt. Ich habe ein Netz von Korruption entdeckt, das die verschiedenen Lager miteinander verband. Im letzten Sommer wurde Koch schließlich seines Amtes enthoben. Aber er hat dafür gesorgt, dass die meisten Zeugen umgebracht wurden, darunter ein Hauptscharführer in Buchenwald, einer seiner Komplizen. Hier hat er alle jüdischen Zeugen über die Klinge springen lassen; wir haben auch in dieser Sache Ermittlungen aufgenommen, doch da waren schon alle Juden des KL exekutiert worden; als wir reagieren wollten, hat er sich auf höhere Befehle berufen.« – »Aber solche Befehle gibt es tatsächlich, das müssen Sie doch wissen.« – »Ich habe es erst in dem Moment erfahren. Da endet unsere Zuständigkeit natürlich. Trotzdem gibt es einen Unterschied: Wenn ein SS-Angehöriger einen Juden im Rahmen höherer Befehle töten lässt, ist das eine Sache; doch wenn es geschieht, um Unterschlagungen zu vertuschen oder um eine perverse Lust zu befriedigen, was auch vorkommt, so ist das ein Verbrechen, selbst wenn der Jude ohnehin gestorben wäre.« – »Ich bin ganz Ihrer Meinung, aber die Unterscheidung lässt sich nicht so leicht vornehmen.« – »Juristisch sicherlich nicht: Es gibt Verdachtsmomente, aber um jemanden vor Gericht zu stellen, brauchen wir Beweise, und wie gesagt, diese Burschen helfen sich gegenseitig und lassen Zeugen verschwinden. Natürlich ist die Sachlage manchmal eindeutig: Beispielsweise ermittle ich auch gegen Kochs Frau, eine sexuell gestörte Person, die tätowierte Häftlinge hat tötenlassen, um ihnen die Haut abzuziehen; die gegerbte Haut hat sie dann zu Lampenschirmen und ähnlichen Zwecken verarbeitet. Sobald alle Beweise vorliegen, verhaften wir sie, und ich zweifle nicht daran, dass sie zum Tode verurteilt wird.« – »Und wie sind Ihre Ermittlungen gegen diesen Koch ausgegangen?« – »Sie sind noch nicht abgeschlossen; wenn ich meine Arbeit hier beendet und alle Beweise habe, rechne ich damit, dass ich ihn wieder verhaften kann. Auch er hat die Todesstrafe verdient.« – »Ist er denn wieder auf freien Fuß gesetzt worden? Ich kann Ihnen nicht recht folgen.« – »Er ist im Februar freigesprochen worden. Aber ich war nicht mehr mit dem Fall betraut. Ich hatte Probleme mit einem anderen Mann – kein Offizier des Lagerpersonals, sondern der Waffen-SS, ein gewisser Dirlewanger. Ein wild gewordener Mordgeselle an der Spitze einer Einheit von begnadigten Straftätern und Wilddieben. 1941 hörte ich, dass er mit seinen Freunden hier im GG so genannte wissenschaftliche Experimente durchführte: Sie verabreichten jungen Mädchen Strychnin und sahen, Zigaretten rauchend, zu, wie sie starben. Doch als ich eine Untersuchung gegen ihn einleiten wollte, wurde er mit seiner Einheit nach Weißrussland versetzt. Ich darf Ihnen verraten, dass er von höchsten SS-Kreisen protegiert wird. Jedenfalls wurde ich schließlich abberufen, meiner Ämter enthoben, zum SS-Sturmmann degradiert und nach Russland geschickt, erst zu einem Marschbataillon, dann zur SS-Division Wiking. In diesem Zeitraum wurde auch das Verfahren gegen Koch eingestellt. Doch im Mai hat mich der Reichsführer zurückgerufen, zum Sturmbannführer der Reserve ernannt und mich zur Kripo abkommandiert. Nach einer erneuten Beschwerde der Distriktbehörden von Lublin über Diebstähle an Besitztümern der Häftlinge hat er mir befohlen, diese Kommission zu bilden.« Voller Bewunderung schüttelte ich den Kopf: »Gegenwind schreckt Sie offenbar nicht.« Morgen lachte trocken: »Nicht direkt. Schon vor demKrieg – damals war ich Richter am Landgericht in Stettin – bin ich abgesetzt worden, weil ich mit einem Urteil nicht einverstanden war. So bin ich beim SS-Gericht gelandet.« – »Darf ich fragen, wo Sie studiert haben?« – »Oh, ich bin viel herumgekommen. Ich habe in Frankfurt, Berlin und Kiel studiert, anschließend noch in Rom und Den Haag.« – »In Kiel?
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