Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
Vom Netzwerk:
hatte, schmückte und schützte jetzt die Fotze von Hedwig Höß. Ob Höß an diese Jüdin dachte, wenn er deren Höschen herunterzog, um seiner Frau die Ehre zu erweisen? Aber vielleicht interessierte er sich nicht mehr sonderlich für die Fotze von Frau Höß, egal, wie hübsch sie verpackt war: Die Arbeit in den Lagern machte die Männer häufig impotent, wenn sie sie nicht in den Irrsinn trieb. Vielleicht hielt er sich irgendwo im Lager seine eigene Jüdin, sauber, gut genährt, ein Glückskind, die Hure des Kommandanten? Nein, nicht er: Wenn Höß sich eine Mätresse unter den Häftlingen nähme, wäre das eine Deutsche, keine Jüdin.
    Es bekommt einem nie, solche Gedanken zu haben, ich weiß es nur zu gut. In dieser Nacht erlebte mein ständig wiederkehrender Traum seinen endgültigen Höhepunkt. Ich näherte mich dieser unermesslichen Stadt auf einem stillgelegten Gleis; in der Ferne rauchte die Reihe der Schornsteine friedlich vor sich hin; und ich fühlte mich verloren, isoliert, ein ausgesetztes Hündchen, die Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft quälte mich. Ich mischte mich unter die Menge und irrte lange Zeit umher, unwiderstehlich angezogen von den Krematorien, die ihre Rauchwolken und Funkenregen in den Himmel spien … like a dog, both attracted and repell’d / By the stench of his own kind / Burning. Aber ich konnte nicht dorthin gelangen, also betrat ich eines der riesigen Kasernengebäude, in dem ich einen Schlafplatz hatte, und stieß dabei eine Frau zurück, die sich zu mir gesellen wollte. Ich schlief sofort ein. Als ich erwachte, bemerkte ich Blutspuren auf meinem Kissen. Ich sah es mir näher an und stellte fest, dass auch auf dem übrigen Bettzeug Blut war. Als ich die Decke hochhob, war darunter alles von Blut durchtränkt und mitSperma vermischt, großen schleimigen Spermabrocken, die zu dickflüssig waren, um in das Gewebe einzusickern. Ich schlief in einem Zimmer im Hause Höß, oben, neben den Kinderzimmern; ich hatte keine Ahnung, wie ich das beschmutzte Bettzeug ins Badezimmer bringen sollte, um es zu waschen, ohne dass Höß es bemerkte. Die Sache war mir entsetzlich peinlich, ich hatte Angst. Dann trat Höß mit einem Offizier ein. Sie ließen die Hosen herunter, setzten sich mit übereinandergeschlagenen Beinen an mein Bett und begannen heftig zu masturbieren; ihre purpurroten Eicheln tauchten aus den Vorhäuten auf und verschwanden wieder darin, bis sie ihr Sperma schließlich in fetten Ladungen auf mein Bett und die Tapete spritzten. Sie wollten, dass ich es ihnen nachtat, aber ich weigerte mich; das Ritual hatte offenbar eine bestimmte Bedeutung, aber ich wusste nicht, welche.
     
     
    Dieser brutale und obszöne Traum markierte das Ende meines ersten Aufenthalts im KL Auschwitz: Meine Arbeit war beendet. Ich kehrte nach Berlin zurück, um von dort aus einige Lager im Altreich zu besichtigen, die KL Sachsenhausen, Buchenwald und Neuengamme sowie einige ihrer Nebenlager. Ich werde nicht weiter auf diese Besuche eingehen: Alle diese Lager sind von der Geschichtswissenschaft ausführlich beschrieben worden und besser, als ich es könnte; außerdem ist völlig richtig, dass man alle Lager kennt, wenn man eines gesehen hat: Alle Lager ähneln sich, das ist wohl bekannt. Nichts von dem, was ich sah, konnte, trotz lokaler Unterschiede, meine Meinung oder meine Schlussfolgerungen nennenswert ändern. Endgültig kehrte ich Mitte August nach Berlin zurück, so etwa zwischen der Wiedereinnahme von Orjol durch die Sowjets und der endgültigen Eroberung Siziliens durch die Engländer und Amerikaner. Ich schriebmeinen Bericht in kurzer Zeit; meine Aufzeichnungen hatte ich schon unterwegs geordnet, jetzt musste ich nur noch die Kapitel gliedern und alles tippen, eine Angelegenheit von ein paar Tagen. Ich bemühte mich um flüssige Formulierung und logische Argumentation: Der Bericht war für den Reichsführer bestimmt, und Brandt hatte mich vorsorglich wissen lassen, dass ich sicherlich auch Vortrag halten müsse. Nachdem ich die endgültige Version, korrigiert und abgetippt, abgeschickt hatte, wartete ich.
    Ohne große Begeisterung, ich muss es gestehen, war ich wieder zu meiner Zimmerwirtin Frau Gutknecht zurückgekehrt. Die brachte sich fast um vor Begeisterung und wollte mir unbedingt einen Tee kochen; aber sie konnte einfach nicht verstehen, wieso ich, aus dem Osten kommend, wo man alles zu essen kriegt , nicht daran gedacht hatte, zwei Gänse mitzubringen, für den Eigenbedarf

Weitere Kostenlose Bücher