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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Kommandantur und gab die entsprechendenBefehle. Während Speer wütend mit seinen Assistenten und Ingenieuren diskutierte, nahm ich Förschner beiseite: »Ich habe Ihnen doch ausdrücklich im Namen des Reichsführers aufgetragen, das Lager in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen. Das hier ist eine Schweinerei.« Förschner ließ sich nicht beeindrucken: »Obersturmbannführer, Sie wissen so gut wie ich, dass ein Befehl ohne die entsprechenden Mittel nicht auszuführen ist. Sie müssen schon entschuldigen, aber ich habe keinen Zauberstab. Ich habe die Stollen heute Morgen waschen lassen, mehr konnte ich nicht tun. Wenn der Reichsminister uns Baumaterial liefert, umso besser.« Speer trat zu uns: »Ich sorge dafür, dass das Lager Zusatzrationen erhält.« Er wandte sich an einen Zivilingenieur, der mit ihm gekommen war: »Hören Sie, Sawatzki, die Ihnen unterstellten Häftlinge haben selbstverständlich absolute Priorität. Wir können doch von Kranken oder Sterbenden keine so komplizierten Montagearbeiten verlangen.« Der Zivilist nickte: »Gewiss, Herr Minister. Uns macht vor allem die Fluktuation Probleme. Wir müssen die Häftlinge so oft ersetzen, dass es unmöglich ist, sie richtig anzulernen.« Speer wandte sich an Förschner: »Das soll aber nicht heißen, dass Sie die, die zum Bau der Stollen eingeteilt sind, vernachlässigen können. Sie werden auch deren Rationen im Rahmen des Möglichen erhöhen. Ich werde darüber mit Brigadeführer Kammler sprechen.« – »Zu Befehl, Herr Minister«, sagte Förschner. Sein Ausdruck blieb undurchdringlich, verschlossen; Sawatzki dagegen sah sehr zufrieden aus. Draußen warteten einige Mitarbeiter von Speer, sie kritzelten in ihre Notizbücher und sogen gierig die kalte Luft ein. Ich fröstelte: Der Winter richtete sich ein.
     
    In Berlin sah ich mich erneut mit Aufträgen des Reichsführers überhäuft. Ich hatte ihm über die Besichtigung mit Speer Bericht erstattet, und er hatte nur einen einzigen Kommentar abgegeben: »Reichsminister Speer sollte wissen, was er will.« Er ließ mich nun regelmäßig kommen, um mit mir über den Arbeitseinsatz zu diskutieren: Um jeden Preis wollte er die Zahl der in den Lagern verfügbaren Arbeitskräfte erhöhen – für die SS-Firmen, die Privatunternehmen und vor allem die neuen unterirdischen Fertigungsbetriebe, die Kammler anlegen wollte. Die Gestapo erhöhte die Zahl der Verhaftungen, doch andererseits stieg im Herbst und Winter die Sterblichkeit wieder an, nachdem sie im Sommer deutlich zurückgegangen war, und der Reichsführer war unzufrieden. Doch als ich ihm eine Reihe von Maßnahmen vorschlug, die ich mit meiner Gruppe geplant hatte und für realistisch hielt, reagierte er nicht, und die konkreten Maßnahmen, die von Pohl und der IKL durchgeführt wurden, erschienen zufällig und unberechenbar und keinem Plan zu gehorchen. Einmal ergriff ich anlässlich einer Bemerkung des Reichsführers die Gelegenheit, Initiativen zu kritisieren, die ich für willkürlich und zusammenhanglos hielt: »Pohl weiß, was er tut«, erwiderte er unwirsch. Kurz darauf bestellte Brandt mich ein und hielt mir höflich, aber unmissverständlich eine Standpauke: »Hören Sie, Aue, Sie leisten sehr gute Arbeit, aber ich möchte auch Ihnen sagen, was ich Brigadeführer Ohlendorf schon hundertmal gesagt habe: Statt den Reichsführer mit negativer, fruchtloser Kritik und komplizierten Fragen zu langweilen, die er sowieso nicht versteht, täten Sie besser daran, Ihre Beziehungen zu ihm zu pflegen. Bringen Sie ihm – was weiß ich – eine mittelalterliche Abhandlung über Pflanzenheilkunde, hübsch gebunden, und diskutieren Sie mit ihm darüber. Er wird begeistert sein, und Sie kommen ihm näher, er lernt Sie besser kennen. Das macht alles viel leichter. Und dann, Sie müssen schon entschuldigen, wenn SieVortrag halten, sind Sie so kühl und von oben herab, das muss ihn doch noch mehr verärgern. So werden Sie gar nichts bewirken.« Auf die Art ging es noch eine Weile weiter; ich sagte nichts, sondern dachte nach: Er hatte zweifellos Recht. »Noch ein Rat: Sie sollten wirklich heiraten. Ihre Haltung in dieser Sache erbost den Reichsführer über die Maßen.« Ich straffte mich: »Standartenführer, ich habe dem Reichsführer meine Gründe bereits dargelegt. Wenn er sie nicht billigt, sollte er es mir selbst sagen.« Ein unschicklicher Gedanke zwang mich, ein Lächeln zu unterdrücken. Brandt lächelte nicht, sondern starrte mich durch seine große

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