Die Wohlgesinnten
endlich vorbei war, wischte ich mich mehrschlecht als recht ab, nahm das nicht ganz saubere Glas, in dem meine Zahnbürste stand, und tauchte es in das abgestandene Wasser des Eimers, um es gierig zu trinken, als wäre es das reinste Quellwasser; doch meine Kraft reichte nicht aus, um den Rest des Eimers in die Kloschüssel voller Scheiße zu kippen (die Wasserspülung funktionierte längst nicht mehr). Ich wickelte mich wieder in das Bettzeug und wurde, geschwächt nach dieser Anstrengung, lange von einem heftigen Schüttelfrost gebeutelt. Später hörte ich es an der Tür klopfen: Das musste Piontek sein, den ich gewöhnlich auf der Straße erwartete, aber ich hatte nicht mehr die Kraft aufzustehen. Das Fieber kam und ging, mal kurz und fast sanft, mal wie ein in meinem Körper entfesselter Glutofen. Mehrfach klingelte das Telefon, jedes Läuten bohrte sich wie ein Messerstich in mein Trommelfell, aber ich konnte nichts tun, weder abnehmen noch abstellen. Der Durst war sofort wieder da und nahm den größten Teil meiner Aufmerksamkeit in Anspruch, die jetzt, fast völlig losgelöst, meine Symptome leidenschaftslos, wie von außen wahrnahm. Ich wusste, dass ich, wenn ich nichts unternahm, wenn niemand kam, auf diesem Bett in Lachen von Kot und Urin sterben würde, denn schon bald würde ich, unfähig aufzustehen, unter mich machen. Doch der Gedanke ließ mich kalt, flößte mir weder Mitleid noch Furcht ein, ich empfand nur noch Verachtung für das, was aus mir geworden war, und wünschte weder, dass es aufhörte, noch dass es weiterging. Mitten in diesem Fieberwahn – das helle Tageslicht ergoss sich mittlerweile in meine Wohnung – öffnete sich die Tür, und Piontek trat ein. Ich hielt ihn für eine neue Halluzination und lächelte nur einfältig, als er das Wort an mich richtete. Er trat an mein Bett, legte die Hand auf meine Stirn, sagte laut und vernehmlich »Scheiße« und rief Frau Zempke, die ihm geöffnet haben musste. »Holen Sie was zu trinken«, sagte er. Dann hörte ich ihn telefonieren. Er kam zu mir zurück: »Hören Sie mich,Obersturmbannführer?« Ich nickte. »Ich habe in der Dienststelle angerufen. Sie schicken einen Arzt. Wenn Sie nicht lieber ins Krankenhaus wollen?« Ich schüttelte den Kopf. Frau Zempke erschien mit einem Krug Wasser; Piontek goss ein Glas ein, hob meinen Kopf an und flößte mir davon ein. Die Hälfte lief mir auf die Brust und das Bettzeug. »Mehr«, sagte ich. Ich trank etliche Gläser, das brachte mich ins Leben zurück. »Danke«, sagte ich. Frau Zempke schloss die Fenster. »Lassen Sie sie offen«, wies ich sie an. »Wollen Sie was essen?«, fragte Piontek. »Nein«, antwortete ich und ließ mich in mein durchnässtes Kissen zurücksinken. Piontek öffnete den Schrank, holte saubere Bettwäsche heraus, bezog das Bett neu. Die Bezüge waren frisch, aber zu rau für meine überempfindlich gewordene Haut, ich konnte keine erholsame Lage finden. Etwas später traf ein SS-Arzt ein, ein Sturmbannarzt, den ich nicht kannte. Er untersuchte mich von Kopf bis Fuß, klopfte mich ab, horchte mich ab – das kalte Metallstück des Stethoskops verbrannte mir die Haut –, maß Fieber, tastete meinen Brustkorb ab. »Sie gehören ins Krankenhaus«, erklärte er schließlich. »Ich will nicht«, sagte ich. Er machte eine bedenkliche Miene: »Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmern kann? Ich gebe Ihnen eine Spritze, aber Sie müssen Tabletten nehmen, Saft trinken, Brühe.« Piontek besprach sich mit Frau Zempke, die wieder hinuntergegangen war, dann kam er zurück und sagte, sie werde sich um mich kümmern. Der Arzt erklärte mir, was ich hatte, aber ich behielt nichts von seiner Diagnose, entweder weil ich seine Worte nicht verstand oder sie sofort wieder vergaß. Er gab mir eine unendlich schmerzhafte Spritze. »Morgen komme ich wieder«, sagte er. »Wenn das Fieber nicht runter ist, schicke ich Sie ins Krankenhaus.« – »Ich will nicht ins Krankenhaus«, murmelte ich. »Das ist mir vollkommen gleichgültig«, sagte er ernst. Dann ging er. Piontek sah sehr betreten aus. »Gut, Obersturmbannführer,ich schau mal, ob ich ein paar Dinge für Frau Zempke auftreiben kann.« Ich nickte, dann ging auch er. Etwas später erschien Frau Zempke mit einer Schüssel Bouillon, von der sie mir einige Löffel einflößte. Die lauwarme Brühe lief mir aus dem Mund und floss über mein stoppelbärtiges Kinn; geduldig wischte Frau Zempke sie ab und begann von Neuem. Dann gab sie mir Wasser zu
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