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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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mit anderen Aufgaben zu betrauen oder sogar zu verurteilen, wenn sie zu weit gegangen waren. Was die anderen betraf, die angewidert oder gleichgültig reagierten, sie entledigten sich ihrer Aufgabe aus Pflichtgefühl, fanden Freude an ihrer Hingabe, an ihrer Fähigkeit, eine so schwierige Arbeit trotz ihres Widerwillens und ihrer Ängste so vorbildlich zu erledigen: »Aber das Töten macht mir überhaupt keinen Spaß«, war häufig von ihnen zu hören, für sie bestand das Vergnügeneben in ihrer strengen Dienstauffassung und ihrer Tugend. Die Höhere Führung musste diese Probleme natürlich in ihrer Gesamtheit betrachten, sodass die offiziellen Reaktionen notgedrungen etwas pauschal und summarisch ausfielen. Einzelaktionen wurden selbstverständlich zu Recht als Mord angesehen und verurteilt. Der Berück von Roques hatte, als er den Befehl zur Disziplin des OKW bekannt gab, festgesetzt, dass Soldaten, die aus eigenem Antrieb auf Juden schossen, sechzig Tage Arrest wegen Gehorsamsverweigerung erhielten; in Lemberg, so hieß es, habe ein Unteroffizier sechs Monate Bau wegen Mordes an einer alten Jüdin bekommen. Doch je umfangreicher diese Aktionen wurden, desto schwieriger wurde es, die Kontrolle über all ihre Auswüchse zu behalten. Am 11. und 12. August versammelte Brigadeführer Rasch in Shitomir alle Chefs der Sonder- und Einsatzkommandos: Neben Blobel waren Hermann vom Einsatzkommando 4b, Schulz von 5 und Kröger von 6 anwesend. Auch Jeckeln war dabei. Blobel hatte am 13. August Geburtstag, und die Offiziere hatten beschlossen, eine Feier für ihn zu veranstalten. An diesem Tag war seine Laune noch abscheulicher als gewöhnlich, und er zog sich stundenlang allein in sein Büro zurück. Ich selbst war ziemlich beschäftigt: Wir hatten gerade einen Befehl von Gruppenführer Müller erhalten, dem Chef der Geheimen Staatspolizei, Bildmaterial über unsere Tätigkeit – Fotografien, Filme, Plakate, Anschläge – zu sammeln, die dem Führer vorgelegt werden sollten. Ich hatte mir von Hartl, dem Verwaltungsführer des Gruppenstabs, ein kleines Budget bewilligen lassen, um den Männern Abzüge ihrer Fotos abkaufen zu können; er hatte sich zunächst geweigert, indem er sich auf einen Befehl des Reichsführers berief, der den Angehörigen der Einsatzgruppen untersagte, aus den Exekutionen in irgendeiner Weise Gewinn zu ziehen; Hartl selbst hielt den Verkauf der Fotografien durchaus für eine gewinnträchtige Möglichkeit. Schließlichkonnte ich geltend machen, dass wir von den Männern nicht verlangen könnten, die Arbeit der Einsatzgruppe aus eigener Tasche zu finanzieren, und dass wir ihnen, wenn wir schon Abzüge ihrer Fotos archivieren wollten, zumindest die entstandenen Kosten erstatten müssten. Er erklärte sich einverstanden, aber unter der Bedingung, dass nur für die Fotos der Unterführer und Soldaten bezahlt würde; die Offiziere müssten ihre Fotos, sofern sie welche machten, auf eigene Kosten entwickeln lassen. Mit dieser Zusage versehen, verbrachte ich den Rest des Tages in den Mannschaftsunterkünften, sah die Fotosammlungen der Männer durch und bestellte Abzüge. Einige von ihnen waren übrigens bemerkenswert gute Fotografen; aber ihre Arbeit hinterließ bei mir einen unangenehmen Nachgeschmack, während ich gleichzeitig die Augen nicht abwenden konnte, ich war wie versteinert. Am Abend versammelten sich die Offiziere im Kasino, das aus diesem Anlass von Strehlke und seinen Leuten geschmückt worden war. Als Blobel zu uns stieß, hatte er bereits getrunken, seine Augen waren blutunterlaufen, doch er hatte sich noch unter Kontrolle und sprach wenig. Vogt, der dienstälteste Offizier, gratulierte in unserem Namen und brachte einen Toast auf Blobels Gesundheit aus; dann wurde dieser aufgefordert, eine Rede zu halten. Blobel zögerte, stellte sein Glas ab und wandte sich an die Anwesenden, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Meine Herren, ich danke Ihnen für Ihre wohlmeinenden Wünsche! Ich darf Ihnen sagen, Ihr Vertrauen ehrt mich. Aber ich habe Ihnen eine bedauerliche Mitteilung zu machen. Gestern hat HSSPF Russland-Süd, Obergruppenführer Jeckeln, uns einen neuen Befehl übermittelt. Dieser Befehl kam direkt vom Reichsführer SS und stammt – ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, wie er uns darauf hingewiesen hat – vom Führer persönlich.« Er zitterte, während er sprach, und kaute in den Pausen an den Innenseiten seiner Backen herum. »UnsereAktionen gegen die Juden werden fortan

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