Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Metalltaschenlampe auf die Stirn. Er traf dumpf auf dem Boden auf.
Die hintere Tür öffnete sich, und Olga wandte sich an Iwan: »Zarewitsch, ich werde dir vertrauen müssen.«
Iwan antwortete nicht, aber sein grimmiger Blick war äußerst vielsagend. Olga seufzte.
»Ich habe deinen Vater getötet, aber ich wollte ihm nichts Böses. Es herrscht Krieg, und das ist der Lauf der Dinge. Verstehst du das?« Es war Billi zuvor nicht aufgefallen, aber Olga trug nicht mehr ihre Stammesgewänder, sondern eine Wolltunika und Jeans, die in ein Paar klobiger Stiefel gestopft waren. Ihr graues Haar war offen und wehte im Wind.
»Ich verstehe, dass mein Vater tot ist.«
»Wir werden bald alle tot sein, wenn du und ich nicht zusammenarbeiten können.« Olga half Billi aus dem Wagen. »Wir sind zwar Feinde, aber wir können Respekt voreinander haben.«
Iwan schleppte sich ins Freie, ohne Olga aus den Augen zu lassen. Am Ende nickte er knapp. »Wir werden unsere Differenzen ein andermal beilegen«, sagte er.
Olga und Billi gingen zur Vorderseite des Wagens, wo immer noch der bewusstlose Skandinavier lag.
»Nimm seine Beine«, sagte Olga. Gemeinsam rollten sie den großen Mann den Straßendamm hinab.
»Warum hast du es dir anders überlegt?«
Olga sah zu, wie der Mann durch den tiefen Schnee rutschte und unten liegen blieb. »Ich bin zuallererst für meine Polenitsy verantwortlich. Es ist mir gelungen, allein mit dem Frühlingskind zu sprechen, nachdem ich bei euch war. Sie ist wirklich unschuldig; ihr wohnt keinerlei Arglist inne. Wenn das Frühlingskind sagt, dass es so ist – dass Baba Jaga den Fimbulwinter plant –, dann ist es so.«
»Danke«, sagte Billi. »Was ist mit Wassilissa?«
Olga zeigte auf die Straße hinter ihnen. Zwei schwache Scheinwerfer schienen durch den Schnee, als ein bulliger Humvee auf sie zugerumpelt kam, Teil des Konvois, der zurückgeblieben war. Olga zog einen schweren Revolver aus dem Fußraum hervor. Der Lauf der klobigen Smith & Wesson war über zwanzig Zentimeter lang und sah aus, als wäre er angefertigt worden, um Elefanten zu jagen.
»Hinterhalt?«, fragte Billi.
»Hinterhalt.«
Billi glitt den Abhang etwa einen Meter weit hinunter und wartete. Olga winkte mit der Taschenlampe dem näher kommenden Fahrzeug zu.
Das Auto hielt mit laufendem Motor an. Als Billi hinüberspähte, sah sie einen Mann hinten aussteigen und lächelnd auf Olga zugehen. Er lächelte immer noch, als sie die Taschenlampe gegen seinen Kopf schwang.
Billi kletterte den Hang hinauf und rannte zum halboffenen Fahrerfenster. Eine Frau saß am Steuer, eine der Polenitsy, die noch menschliche Gestalt hatten.
Wassilissa lag schlafend unter einem Umschlagtuch auf der Rückbank. Billi steckte den langen Pistolenlauf durchs Fenster.
»Ich nehme das Frühlingskind mit, wenn du nichts dagegen hast«, sagte sie.
Wassilissa erwachte, als Billi die Tür öffnete. Sie schrie, wich zurück und kämpfte in panischer Angst mit dem Türgriff.
»Nein, Wassilissa, nicht!« Billi streckte langsam die Hand nach ihr aus. »Ich tue dir nichts, versprochen!«
»Das hast du schon einmal versprochen! Du hast gelogen!« Wassilissa presste sich an die gegenüberliegende Tür, die Knie an die Brust hochgezogen, die Hand immer noch auf dem Türgriff. Als Billi sie ansah, brach es ihr das Herz. Sie war für das Opfer feingemacht worden. Jemand hatte ihr die Haare gekämmt, und sie glänzten wie die goldenen Halsketten, die sie trug. Kleine Drahtarmreife, die mit Edelsteinen besetzt waren, schmückten ihre Oberarme. Hennamuster waren um ihre Augen herum aufgemalt worden, Spiralen und zarte Federformen, die sie in eine Art Feenprinzessin zu verwandeln schienen. Ihr Kleid war weiß und mit Goldfaden bestickt; die Umrisse prähistorischer Tiere und Zauberer bedeckten den Stoff.
Billi nickte; sie hatte keine Antwort darauf. »Bitte, Wassilissa. Du musst mitkommen.«
Olga befahl der anderen Polenitsy auszusteigen und beschlagnahmte ihre Handys. Billi legte die Pistole auf den Autositz vor Wassilissa und hob die Hände.
Wassilissa schnappte sich den Revolver und richtete ihn auf Billi.
Es wäre perfekt , dachte Billi, wenn Wassilissa mir das Gehirn herausblasen würde . Sie lächelte über die Ironie. Sie hätte dem Mädchen die Pistole wieder abnehmen können, aber es war notwendig, dass Wassilissa ihr vertraute.
»Du tust recht daran, zornig zu sein und mir nicht zu vertrauen, Wassilissa«, sagte Billi. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass
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