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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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im Weg stand, verbrannten. Ein pyroklastischer Strom hatte 79 nach Christus Pompeji vernichtet. Der Ascheregen hatte eine bereits ausgestorbene Stadt begraben. Es gab kein Entkommen.
    »Es nützt alles nichts«, sagte der Kameramann. Die Kamera senkte sich und baumelte über einem Paar Stiefel. »Wir sind tot.«
    Die Kamera schwang hin und her. Die Tonübertragung bestand nur aus Schreien und dem Tosen des Windes. Dann hob sich die Kamera, und Nicholas erschien wieder auf dem Bildschirm; seine roten, tränenfeuchten Augen starrten Billi direkt an, starrten sie alle an.
    »Film weiter«, sagte er grimmig.
    Er richtete sich auf, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schüttelte sich Asche von den Händen.
    »Ich liebe dich«, sagte er. »Ich wollte nur sagen, dass ich dich liebe, Maggie.« Er schrie jetzt, da das Heulen ringsum ohrenbetäubend wurde. »Sag den Mädchen, dass Daddy an sie denkt.« Seine Stimme war heiser, und er wiegte die Kamera mit beiden Händen. »Sag ihnen, dass ich sie lieb …«
    Der Bildschirm knisterte, von elektronischem Schneegestöber erfüllt; dann wurde er schwarz und stumm. Das einzige, was noch zu sehen war, war die Textzeile: Nicholas Rhodes – live aus Neapel . Dann verschwand auch sie. Die Bildübertragung kam nun wieder aus dem Studio. Die Nachrichtensprecherin starrte stumm ihren Monitor an.
    Billi rannte die Treppe hinauf.
    Elaine und Arthur hielten Wassilissa in die halb volle Wanne. Das Wasser dampfte, und sie verwendeten beide durchnässte Handtücher, um das halb bewusstlose Kind festzuhalten: Wassilissa war zu heiß, als dass man sie hätte anfassen können.
    »Was tut sie?« Billi konnte an nichts anderes als die Eruption denken.
    »Sie tut nichts! Irgendetwas geschieht mit ihr!«, blaffte Elaine.
    Wassilissa zuckte heftig und riss sich beinahe los. Wasser spritzte in alle Richtungen, während sie um sich schlug. Ihre Augen waren zugekniffen. »Das ist es, was sie will!«, schrie sie. Sie packte Arthur am Arm und starrte ihn an, Wahnsinn im Blick. Billi hielt ihre Schultern und sah zu, wie die Augen des Mädchens dunkler wurden. »Das ist es, was sie will!«
    Elaine griff unbeholfen nach den Talismanen um Wassilissas Hals und presste sie ihr an die Schläfen.
    »Kämpfe! Wehr dich gegen sie«, flüsterte sie.
    Wassilissa starrte böse drein und schnappte zornig mit den Zähnen. »TööRiichT.« Es war nur ein Wort, ein Fluch, aber nicht von Wassilissa. Sie zischte misstönend in Dutzenden von wenig klangvollen Sprachen. Sie kratzte Elaine im Gesicht und hinterließ glühend heiße Brandblasen auf ihrer Wange. Dann wurden Wassilissas Augen trübe, verschleierten sich. Ihre Augenlider flatterten, dann sackte sie ins Wasser.
    Das Wasser in der Badewanne dampfte weiter, und Arthur zog die Hand zurück, die mit Brandwunden übersät war. Es war hier drinnen heiß wie in einer Sauna, und die Temperatur stieg immer weiter.
    »Schnee«, sagte Billi, »legt sie in den Schnee.«
    Was ihr zustößt, hat Auswirkungen auf die Natur. Was in der Natur geschieht, hat Auswirkungen auf sie.
    Arthur hüllte Wassilissa in ein nasses Bettlaken. Die drei rannten in die Gärten des Middle Temple; Arthur trug Wassilissa auf dem Arm. Das Laken rauchte zu dem Zeitpunkt, als er sie daraus in den Schnee rollen ließ. Verzweifelt schaufelten sie Hände voll über sie, und große, nasse Pfützen bildeten sich, da der Schnee beinahe augenblicklich schmolz. Aber da sie zu dritt arbeiteten, gelang es ihnen, Wassilissas Haut wieder auf normale Temperatur zu bringen. Wassilissa sah den Schnee an.
    »Oh. So viel Schnee.« Sie wandte sich Billi zu. »Das ist der Fimbulwinter …« Wassilissas Stimme verklang zu einem Murmeln, und sie brach zusammen.
    Elaine legte dem Mädchen die Hand an die Stirn. Sie wartete eine Minute, dann seufzte sie.
    »Es geht ihr gut.«
    Arthur hob Wassilissa hoch und wiegte sie in den Armen. Elaine kämpfte sich auf die Beine.
    Als sie nach Hause zurückkehrten, kamen sie an einem Haus vorbei, in dem noch Licht brannte. Billi blieb kurz vor einem Fenster stehen. Sie hörte es nur undeutlich, aber die Nachrichtensprecherin wiederholte den Satz wieder und wieder, als ob sie erst allmählich an ihre eigenen Worte glauben konnte.
    Der Vulkanausbruch war vorbei, aber Neapel war zerstört.

11
    Der Ascheregen fiel weiter auf Neapel. Die Berichterstattung ging weiter, während die Katastrophe immer größere Ausmaße annahm. Orte in der Nähe des Vesuv waren verschwunden, vollkommen von den

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