Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Ich bin auf dem Stockwerk unter ihm.« Es war deutlich, dass er mit diesem Arrangement nicht zufrieden war. »Im Untergeschoss ist ein Schwimmbad.« Er wandte sich zum Gehen, hielt dann aber inne. »Was hast du vorhin gemeint, als du sagtest, wir hätten keine Zeit zu verlieren?« Seine Stirn legte sich in tiefe Falten, und Billi hatte plötzlich das überwältigende Bedürfnis, sie ihm glattzustreichen. Sie errötete und verlagerte ihre Aufmerksamkeit verlegen auf das Wandgemälde über ihr. Es war ja nicht so, dass sie ihm schon die Information hätte anvertrauen können, was Wassilissa wirklich war. Sie wusste nicht, wem sie an diesem Ort trauen sollte.
»Ich meinte nur, dass eine Unschuldige sterben wird, wenn wir sie nicht finden«, murmelte sie. Als sie es wagte, einen Blick zurück zu Iwan zu werfen, musterte er sie amüsiert.
Er weiß, dass ich etwas verheimliche .
» Da , das stimmt. Wir werden euch helfen, sie zu finden, wie wir es versprochen haben. Wir unterhalten uns morgen.«
»Nun … vielen Dank«, brachte sie steif heraus. »Also … Gute Nacht, Iwan.«
Er grinste überheblich. »Gute Nacht, Billi SanGreal.«
Billi lag hellwach da und starrte zu dem Feuervogelmosaik über ihrem Kopf empor. Ihr Körper flehte um Ruhe, aber ihr Verstand überschlug sich.
Es war perfekt gelaufen. Koschtschei wollte ihnen helfen. Er hasste die Polenitsy so sehr, wie sie es taten. Gwaine hatte vorbeigeschaut und ihr gesagt, dass Koschtschei bereits all seine Männer ausgeschickt hatte. Er würde wohl am nächsten Morgen Neuigkeiten haben.
Wenn Wassilissa hier war, dann würde Koschtschei sie finden. Billi war über vierundzwanzig Stunden wach gewesen, und ohne ein bisschen Schlaf würde sie niemandem etwas nützen. Das Beste, was sie tun konnte, war, sich auszuruhen und am Morgen bereit zu sein.
Warum hatte sie dann das Gefühl, dass irgendetwas fürchterlich falsch war?
Lag es am Tod des vorigen Zaren? In ihrem Berufsfeld starben Leute nun einmal. Die Templer hatten darauf gezählt, dass Zar Alexej ihnen helfen würde, aber Koschtschei schien genauso bereitwillig zu sein. Beinahe zu bereitwillig.
Paranoia. Vielleicht war das alles. Ein einziges Mal entwickelten sich die Dinge in ihrem Sinne, das war sie nicht gewohnt. Vielleicht war Koschtscheis Vergangenheit keine gute. Vielleicht hatte er aufgrund der Dinge, die er vor langer Zeit getan hatte, einen schlechten Ruf, aber wer hatte das nicht? Ihr Vater war beschuldigt worden, ihre Mutter getötet zu haben, und an Billis eigenen Händen klebte Blut; sie hatte nicht das Recht, andere zu verurteilen.
Nein, Koschtschei machte ihr keine Sorgen.
Das tat Iwan.
Seine grauen Augen wollten ihr einfach nicht aus dem Kopf. Iwan sah einen an, als ob er einem geradewegs in die Seele blickte. Viele Mädchen wären wohl darauf hereingefallen.
Aber sie nicht.
21
Billi hatte schlecht geschlafen. Bis zum Frühstück blieb noch immer eine Stunde, und sie musste einen klaren Kopf bekommen.
Donnerstag. Ein weiterer Tag vorbei. Sie sah auf ihrem Handy nach, ob Nachrichten aus Karelien eingetroffen waren. Nichts. Vielleicht hätte sie Koschtschei suchen sollen, um zu erfahren, ob er irgendetwas herausgefunden hatte. Oder Iwan. Irgendjemand musste wissen, wo Wassilissa war. Sie hatten nur noch drei Tage, um sie zu finden. Drei Tage bis zum Fimbulwinter.
Billi tigerte voll nervöser Energie im Zimmer auf und ab und klappte immer wieder ihr Handy auf und zu. Am Ende warf sie das Telefon aufs Bett. Sie musste sich zusammenreißen. Etwas anstrengender Sport würde vielleicht einen Teil des Summens in ihrem Kopf verstummen lassen.
Im Vorraum der Suite wartete ein Schrank voller brandneuer Kleider auf sie, und sie schlüpfte in einen dunkelblauen Badeanzug und nahm auf dem Weg nach draußen einen dicken weißen Baumwollbademantel und ein Handtuch mit.
Der Weg zum Schwimmbad war einfach: im fünften Untergeschoss aussteigen, dann dem Geruch nach Chlor und Feuchtigkeit folgen.
Gedämpfte, blaue Poolbeleuchtung strahlte unter dem Wasser hervor. Das Becken selbst hatte olympische Ausmaße; die Decke war ein geripptes Tonnengewölbe, von dem Messinglampen herabhingen. Das einzige Geräusch rührte vom Wasser her, das gegen den Beckenrand schwappte.
Billi zog sich den Bademantel aus und stellte sich mit erhobenen Armen ans Ende des Beckens. Sie betrachtete eine Sekunde lang ihr Spiegelbild, das auf der Wasseroberfläche zitterte, und sprang dann hinein.
Die Kälte betäubte Billi,
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