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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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Billi zu ihrem Zimmer. Ich habe Geschäftliches mit dem Seneschall zu besprechen.«
    Billi trat zwischen sie. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich glaube, wir …«
    »Genug, Knappe«, blaffte Gwaine. Er sah sie finster an, und eine Sekunde lang fühlte Billi sich versucht, ihn zu ignorieren. Bis zum Vollmond waren es nur noch wenige Tage. Aber dann schloss sie langsam den Mund. Iwan räusperte sich dicht neben ihr.
    »Welches Zimmer?«, fragte er.
    »Die Morewna-Suite.«
    »Wollen wir?« Ivan verneigte sich spöttisch und führte sie zu einer polierten Bronzetür. Ein Aufzug. Die Tür glitt auf, und sie traten ein.
    Die Fahrstuhlkabine war mit dunklem Holz getäfelt, in das ein abstraktes Perlmuttmuster eingelegt war, das im schummrigen Lampenlicht funkelte. Iwan zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und schob ihn in eine glänzend polierte Platte in der Wand.
    Während der Aufzug nach oben fuhr, musterte Billi Iwan ausführlich. Er hatte ein typisch slawisches Gesicht: blasse Haut, hohe Wangenknochen und tief in den Höhlen liegende, sturmwolkengraue Augen. Iwan spürte, dass sie ihn betrachtete, und er hob unbeholfen die Hand, um sein Gesicht zu verdecken, während er sich mit den Fingern durch die stoppeligen schwarzen Haare fuhr.
    »Im dreizehnten Stock?«, fragte Billi. »Bringt das kein Unglück?«
    »Nur für Templer.« Der Fahrstuhl hielt sanft an, und die Tür öffnete sich ins Dunkel. Das Licht aus dem Aufzug beleuchtete nur die ersten paar Meter eines mit smaragdgrünen Adern durchzogenen Marmorbodens. Dann erwachten einer nach dem anderen riesige Kronleuchter wie nächtliche Sternbilder zum Leben. Ihr Licht wurde von einem funkelnden Kosmos aus blitzendem Kristall eingefangen und tausendfach vervielfältigt.
    Kannelierte Säulen ragten hoch auf und trugen die vielen Gewölbe der Decke; Billi starrte zu den Mosaiken mit Göttern, Helden und Dämonen empor. In Gold gekleidete Krieger kämpften gegen monströse Bären und Wölfe. Burgen schwebten zwischen den Wolken, und Wölfe flogen von den Türmen fort. Auf einem gewaltigen Schlachtfeld stand eine strahlende Kriegerin mit erhobenem Schwert, von langem, blondem Haar umweht. Sie trug einen tiefroten Mantel, und seine Ärmel und seine Vorderseite waren mit Abbildungen goldener, flammender Phönixe bestickt.
    »Maria Morewna«, sagte Iwan. »Eine große Fürstin. Eine Bogatyrin.«
    »Wer hat all das hier geschaffen?« Es war unwirklich.
    »Die Sowjets.«
    »Keine Kosten und Mühen gescheut, was?«
    Iwan ging weiter. »Folge mir.«
    Vor ihnen lag eine zweiflüglige Tür, die mit filigranen Vergoldungen geschmückt war. Iwan stieß sie auf.
    Das Schlafzimmer wurde von einem Himmelbett beherrscht, dessen Holz so hell wie Perlen war. Durchscheinende weiße Vorhänge hingen vom Baldachin des Betts, während dicke, rote halb die goldgerahmten Spiegel an den Wänden verhüllten. Sie spiegelten den Raum und einander bis in die Unendlichkeit wider; es war schwierig zu erkennen, wo das Zimmer endete und wo die Illusion begann. Durch einen Vorhang sah Billi eine frei stehende Marmorbadewanne auf geschwungenen Klauenfüßen; aus dem Wasser stieg Dampf auf.
    »Wie gefällt dir mein Zuhause?«, fragte Iwan.
    »Deines? Koschtschei hat doch gesagt, es sei seines.«
    Iwans Augen blitzten zornig auf. Er war eine seltsame Mischung aus Kälte und Wut. Die beiden Emotionen rangen unmittelbar unter der Oberfläche miteinander. Er gab den Aristokraten, beherrscht und befehlsgewohnt. Aber darunter verbarg sich ein junger Mann, der gerade erst seinen Vater verloren hatte. Und nach der Art zu urteilen, wie er mit Koschtschei sprach, stand in der Hinsicht auch nicht alles zum Besten.
    Iwan sah sich in der riesigen Suite um. »Mit Romanow-Geld gekauft. Koschtschei … verwaltet es nur treuhänderisch für mich, bis ich alt genug bin, mein Erbe anzutreten, wenn ich achtzehn bin.« Er lächelte betrübt. »Ich muss dafür sorgen, dass ich noch zwei Jahre länger bei guter Gesundheit bleibe.«
    »Dann achte einfach darauf, nicht Mann gegen Mann mit einem Ghul zu kämpfen«, sagte Billi. Sie wanderte wie betäubt im Zimmer herum. Die Decke war höher als ihr ganzes Haus.
    »Es ist wie ein Märchen, oder?« Iwan warf einen Schlüssel aufs Bett. »Erinnerst du dich an den Weg zum Aufzug?«
    »Geradeaus, durch die zweiflüglige Tür.«
    »Die anderen Templer sind im zwölften Stock. Koschtschei wohnt im dreizehnten; er hat vorübergehend die Suite meines Vaters mit Beschlag belegt.

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