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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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Nahrung für ihre Göttin?«
    Also war Rasputin ein Frühlingskind gewesen. Das überraschte sie nicht. Es war allgemein bekannt, dass er Gedanken hatte lesen können und den Sohn des Zaren durch Handauflegen von der Bluterkrankheit geheilt hatte. Was Billi erstaunte, war, dass er Baba Jaga getroffen und es überlebt hatte.
    »Er ist entkommen? Wie?« Wenn Rasputin Baba Jaga entkommen war, dann gab es vielleicht eine Chance, Wassilissa zu retten. Vielleicht war die uralte Hexe nicht so mächtig, wie sie befürchtet hatten. Womöglich konnten sie sie auch besiegen, wenn es Rasputin gelungen war. Es würde alles ändern, wenn sie Baba Jaga selbst zum Kampf stellen konnten.
    »Baba Jaga wurde zum ersten Mal seit Tausenden von Jahren verletzt, und das sehr schwer. Rasputin entkam in dem Durcheinander. Er wanderte den ganzen Weg nach Moskau und bot dem Zaren seine Dienste an. Im Gegenzug befahl der Zar den Bogatyri, ihn zu beschützen.« Koschtschei lachte. »Zumindest vor Baba Jaga.«
    »War Rasputin derjenige, der Baba Jaga verletzt hat?« Billi rang darum, die Verzweiflung aus ihrer Stimme herauszuhalten. Sie hatten so wenig Zeit!
    »Nein. So mächtig war Rasputin nicht. Er wusste nur, dass irgendetwas mit dem Planeten geschehen war, mit dem Land, und dass Baba Jaga darunter gelitten hatte.«
    »Sympathetische Magie. Baba Jagas übersinnliche Verbindung zur Erde.«
    »Ja«, sagte Koschtschei. »Aber das Wissen um Baba Jagas Schwäche hat er mit ins Grab genommen.«
    So nahe dran, so nahe dran! Billi hätte schreien mögen. Wenn sie nur ein wenig mehr gewusst hätte! Aber die Hoffnung schwand rasch. Noch drei Tage bis zum Fimbulwinter. Billi sah das blutdurchtränkte Hemd an, und ihr Blut wurde eiskalt. Die Risse im Stoff, die Flecken. Alles, was sie konnte, war kämpfen. Wenn man kämpfte, gab es immer eine Chance zu gewinnen, auch wenn es nur eine kleine war und keine guten Aussichten bestanden. Aber das hier war anders. Man konnte nicht gegen Baba Jaga kämpfen. Billi spürte, wie sich in ihrem Bauch übelkeiterregende Leere ausbreitete, ein großes Loch der Verzweiflung. Ohne Wassilissa, ohne einen Hinweis darauf, wie sie Baba Jaga besiegen sollten, würden sie alle sterben.
    Zum ersten Mal sah Billi einer echten und endgültigen Niederlage ins Auge. Die Templer hatten im Kampf schon zahllosen Gegnern gegenübergestanden. Sie waren nie besiegt worden, allenfalls getötet. Der Orden hatte überlebt, und die Bataille Ténébreuse hatte sich fortgesetzt. Aber nicht hiernach. Die Schlacht würde für alle vorüber sein.
    »Lady SanGreal?«
    Billi schüttelte den Kopf und verdrängte die schwarzen Gefühle der Hoffnungslosigkeit. Drei Tage. In drei Tagen konnte eine Menge geschehen.
    »Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Koschtschei führte Billi fort von dem Hemd und brachte sie in eine Ecke der Halle.
    »Für Sie«, sagte er.
    Eine Schaufensterpuppe, die einen langen roten Mantel trug, stand in den Schatten. Goldene Stickereien bedeckten die Ärmel; flammende Flügel und Pfauenaugen aus Smaragden hoben sich davon ab, geheimnisvoll und fremdartig. Billi strich mit den Fingerspitzen über den Stoff, und er wellte sich wie ein Gefieder. Der Kragen war hoch und steif und mit Goldfaden gesäumt. Es war ein Stück aus einem anderen Zeitalter.
    »Schön, nicht wahr?« Er öffnete vorsichtig die seidenüberzogenen Knöpfe.
    Billi konnte den Blick nicht von dem Mantel abwenden, von der Art, wie seine Farbe sich zu wandeln schien, als Koschtschei ihn von der Puppe abnahm und ihn sich über den Arm legte. Die goldenen Flügel streckten sich anmutig, und die grünen Augen, die nie blinzelten, richteten sich auf Billi. Ein warmer Hauch, dem ein zarter Duft anhaftete, streifte sie; es war, als wäre der Mantel lebendig. Der Geruch sickerte in ihre Lunge ein und prickelte.
    Koschtschei reichte ihr den Mantel. »Probieren Sie ihn an.«
    Billi zögerte. Sie hatte sich gerade erst ihre Kampfkleidung ausgezogen, aber ihre übliche Garderobe war auch nicht viel anders: widerstandsfähige Lederstiefel, Kampfhosen mit vielen Taschen und ein langärmliges schwarzes T-Shirt. Die Manschetten ihres Kapuzenshirts waren ausgefranst, und der einzige Schmuck, den sie trug, war ein kleines Silberkreuz. Der Mantel war zu schön für sie. Und durfte sie ein solches Geschenk von ihm annehmen?
    »Was wollen Sie dafür?«
    »Sie sind mein Gast. Es ist ein Geschenk.«
    Billi konnte sich nicht erinnern, wann sie je neue Kleider bekommen hatte,

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