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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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Und wie. Plötzlich flüsterte der Wald ihr etwas zu. Sie glitt über den unebenen Boden, ihre übernatürlichen Sinne schnüffelten an den niedrigen Zweigen, den knorrigen Wurzeln, dem dichten Brombeergestrüpp. Die Krallenwunden an ihren Flanken juckten und pulsierten warm. Sie fühlte sich frei und barst vor Kraft.
    Körper, heiß, moschusartig, animalisch, bewegten sich um sie herum. Ein riesiges Lagerfeuer loderte vor der Wand aus Bäumen. Billi brannte, und der Stoff auf ihrer Haut war erstickend. Sie wollte, dass der Schnee auf ihrer Haut prickelte; sie wollte fühlen, wie der eisige Wind ihren Körper veränderte. Sie zog an ihrem Mantel, riss den Stoff ab und kümmerte sich nicht darum, dass ihre Fingernägel ihr die Haut aufschürften. Die anderen tanzten und heulten um sie herum, und die Flammen schlugen höher und höher. Ein riesiger Wolf sprang Billi an und riss sie zu Boden. Er schnappte nach ihr und huschte dann davon. Billi kniff die Augen zu.
    »Ich bin keine Bestie«, flüsterte sie. Sie grub die langen Fingernägel tiefer in die stahlharte Erde. »Ich bin keine Bestie.« Sie war schon einmal gekratzt worden, aber so hatte sie sich damals nicht gefühlt. Sie schrie, als ein peinigender Schmerz ihren Körper durchzuckte: Das Tier versuchte, zum Vorschein zu kommen, drängte sie, nachzugeben und sich zu verwandeln.
    Nein. Billi erstarrte, zwang sich, unverändert zu bleiben, menschlich. Sie würde nicht nachgeben.
    Die Bäume raschelten, und der Boden um sie herum erzitterte. Ein Seufzen streifte das Feuer, und Billi sah, dass die Flammen niedriger wurden und sich sogar verneigten. Eine alte, räudige Krähe hockte sich krächzend auf einen Zweig über Billi. Der Vogel warf den Kopf hin und her und beobachtete sie aufmerksam. Eine nach der anderen wurden die Wölfinnen zur Antwort auf den Ruf des schwarzgefiederten Herolds still.
    Die Schatten der riesigen Bäume vertieften sich, als eine Gestalt – eine Dunkelheit in der Dunkelheit – hervortrat.
    Billi musste sich nicht erst sagen lassen, um wen es sich handelte – die Ehrfurcht und die Angst, die die Polenitsy erkennen ließen, verrieten es ihr. Ihre Dunkle Göttin.
    Doppelt so groß wie jede von ihnen ging sie langsam, schlurfend und bucklig, schon unermesslich alt. Die Wölfinnen wichen vor ihr zurück.
    Baba Jaga streckte die Hand aus. Ein Finger reckte sich und deutete mit einem gebogenen, schwarzen Nagel auf Billi. Kleine, polierte Knochen und Steine hingen von einem Armband an ihrem mageren Handgelenk. Ihr Gesicht war hinter einem Dickicht aus weißem Haar verborgen, in dem sich noch mehr Knochen, Zweige und Muscheln verfangen hatten. Nur ihre Augen starrten daraus hervor, schwarz und glänzend wie Obsidian, und Billi wich verängstigt zurück.
    Die Alte Graue, die wieder menschliche Gestalt hatte, zog sie auf die Beine. Der nackte Körper der Werwölfin war von flaumigem weißem Pelz überzogen. Sie betrachtete Billi mit zusammengekniffenen Augen.
    »Sie kämpft dagegen an, Große Mutter.«
    Die Hexe lächelte und knirschte mit den gezackten, eisernen Zähnen wie mit rostigen Messern.
    »Sie HATT DunKELheit IN sssssich. Befreiiiit sie. Ich will sIe HEULEN hÖREN.« Hunderte von Stimmen sprachen die Worte im Chor, alle aus einem Mund. Die Stimmen derer, die sie im Laufe der zahllosen Jahrhunderte verschlungen hatte und die noch immer tief in ihrer Seele gefangen saßen. Billi hielt sich fest die Ohren zu, aber die Stimmen drangen geradewegs in ihren Verstand.
    »Die Bestie ist stark in ihr. Ein Geschenk von ihrem Vater«, sagte die Alte Graue.
    Die Stimmen lachten.
    »Das GESchenk stammt NiChT von IHREM Vaater.«
    »Ich bin keine Bestie!«, schrie Billi.
    Die Wölfinnen rempelten sie an und schlugen sie. Harte Hände versetzten ihr Ohrfeigen, zogen sie an den Haaren und stießen sie über den gefrorenen Boden hin und her. Wohin sie sich auch wandte, irgendein Wesen bellte immer und setzte ihr zu. Sie befand sich im Herzen des Rudels. Der betörende Moschusgeruch des nassen Fells und der heiße Atem überwältigten sie. Frauen mit wilden, von Raserei entstellten Gesichtern und Körpern, die mit blauen Mustern bedeckt waren, griffen sie mit Zähnen und Klauen an. Wölfinnen rammten sie und stießen sie jedes Mal, wenn sie aufstand, wieder um. Andere, halb menschlich, halb tierisch, griffen sie mit Fausthieben und kräftigen Stößen an; sie ließen Billi keine Atempause. Sie drehte sich verwirrt um sich selbst.
    Wehr dich! , drängte das

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