Die Wolkenkinder
wurde immer härter! Vater wusste sich zuletzt keinen Ausweg mehr, brachte den Großteil der Söldner des Schlosses auf eine Seite und ließ den Alten verhaften.“
„ Verstehe!“ nickte Randolf ihr zu, wobei er ohne darüber nachzudenken Amelies Hand genommen hatte und sie zu streicheln begann.
Amelie schaute etwas überrascht auf das, was Randolf da mit ihrer Hand so machte, dachte kurz darüber nach und befand, dass ihr das gar nicht so unangenehm war. Also ließ sie ihn gewähren und fuhr fort: „Vater hat immer damit gerechnet, dass Großvater sich gerne rächen würde und hat ihn deswegen im Auge behalten. Als Vater hörte, dass sich Großvater gewissermaßen eine eigene kleine Welt in den Bergen geschaffen hatte und das er über erhebliche Mittel verfügt, wollte er seinem Treiben damals schon einen Riegel vorschieben, indem er ihn in ein Kloster verbringen lassen wollte; aber Mutter war dagegen und gab zu bedenken, dass es sich ja schließlich um meines Vaters Vater handeln würde und nicht um einen gewöhnlichen Verbrecher.“
„ Ah ja!“ Randolf wurde nun so Einiges klar. „Aber jetzt hat dein Großvater den richtigen Gehilfen in diesem Emmerich gefunden Und jetzt könnte es endgültig gefährlich werden!“
„ So sieht das Vater auch!“ stimmte Amelie zu, die die Zärtlichkeit Randolfs zu genießen begann und deshalb unmerklich näher rückte – vielleicht war ja noch mehr als nur das bisschen Händestreicheln drin.
„ Und die Kinder der Nacht?“ fragte sich Randolf selbst. „Was ist mit den Kindern der Nacht? Wo kommen denn die eigentlich her und wer ist deren wahrer Oberguru?“
„ Die Kinder der Nacht sind ein Produkt meines Großvaters, die er wohl etabliert und finanziert hat, um sich seine Macht zurückzuholen. Emmerich ist anscheinend dazugestoßen und hat das Potential dieser Geschichte erkannt. Ich vermute, das er erst nur Vergnügung oder Abenteuer bei den Kindern der Nacht gesucht hat, mit der Zeit aber war ihm das anscheinend zu wenig und er beschloss nicht nur ein bedeutungsloser Steigbügelhalter zu sein, sondern selbst zum Herrscher zu werden. Großvater hat dieses hinterhältige Doppelspiel Emmerichs offensichtlich noch gar nicht bemerkt, sonst wäre diese kleine Ratte schon längst nicht mehr am Leben. Er ist halt geistig doch nicht mehr ganz auf der Höhe – früher wäre ihm das garantiert nicht passiert!“
„ Wäre da nicht ein Punkt zum ansetzen?“ überlegte Randolf und legte endlich seinen Arm um Amelie, die schon lange darauf gewartet hatte.
Hatte sie zwar die ganze Zeit auf etwas Ähnliches gehofft und ihn geradezu zu einer solchen Tat provoziert, dennoch war sie nun ein wenig verstört. Ihr erster Gedanke war Abwehr, schon zog sie die Schultern hoch, ließ sie dann aber gleich wieder fallen. Irgendwie war ihr die Situation fremd, doch angenehm zugleich. Sie war unsicher, was sie tun sollte. War Randolf im Begriff sich Frechheiten heraus zu nehmen? Sie schaute ihn prüfend an. Der aber war völlig in seinen Überlegungen versunken und nahm Amelies Reaktion überhaupt nicht wahr. Amelie überlegte kurz, schüttelte den Kopf, beschloss, dass es gut so sei und lies ihn erneut gewähren.
„ Wenn man die Beiden gegeneinander ausspielen könnte ...“ überlegte Randolf vor sich hin.
„ Ich glaube nicht, dass uns das so ohne weiteres gelingt“, warf Amelie ein. „Obwohl es stimmen würde, würde Großvater uns nie glauben und der bauernschlaue Emmerich hat garantiert schon das volle Vertrauen des alten Grafen erschlichen – das führt zu nichts! Nein, wir müssen beide zu Strecke bringen: den einen so und den anderen so!“
„ Ganz schön hart diese Äußerungen für ein so süßes Mündchen“, kommentierte Randolf und sah Amelie lange und ruhig in ihre tiefen Augen.
„ Süßes Mündchen?“ wunderte sich Amelie grinsend über die Dreistigkeit ihres Verehrers. „Woher willst du den Geschmack meines Mundes kennen?“ fragte sie, bewusst den Sinn seiner Aussage verdrehend.
„ Bis jetzt muss ich leider nur vermuten“, nahm Randolf die Vorlage an.
„ Nun ja“, rückte Amelie mehr zu ihm herum und kam bedrohlich näher. „Da wirst du wohl jetzt testen müssen, in wie weit dein Vermutungen stimmen.“
Achtes Kapitel
„Wo führst du mich den, um alles in der Welt, nur hin?“ beschwerte sich Randolf, der seit einigen Minuten, im Schlepptau an Amelies Hand, quer durch
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