Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
weiteres Unglück auf sie zukam.
»Bei Zitos Ohren.« Seit sie das Hochland verlassen hatte, war ihr dieser Ausdruck nicht mehr über die Lippen gekommen. »Kann mir denn niemand sagen, was hier vor sich geht?«
Lark wälzte sich im Bett von einer Seite auf die andere, bis die Sterne im Morgengrauen am Himmel verblassten. Dann erst fiel sie in einen unruhigen Schlaf, träumte intensiv und schreckte immer wieder hoch. Als die Hausdame die Mädchen weckte, fühlte Lark sich so erschöpft und ausgelaugt wie zu der Zeit auf dem Unteren Hof, wenn die Lämmer geboren wurden. Da hatte sie auch nur wenig Schlaf bekommen und war häufig geweckt worden. Sie hatte Schwierigkeiten, sich ordentlich anzukleiden, und war froh, dass sie sich nicht auch noch wie die anderen Mädchen einen Reiterknoten frisieren musste. Sie fuhr sich mit dem Kamm durch die kurzen Locken, spritzte sich Wasser ins Gesicht, putzte sich die Zähne und war fertig.
Trotz ihrer Angst war sie hungrig. Als sie sich zwischen Hester und Amelia zum Frühstück niederließ, fiel ihr auf, dass sie seit dem gestrigen Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte. Sie aß alles, was man ihr vorsetzte, und als die anderen fertig waren, nahm sie die restlichen Toasts mit Butter vom Tablett.
Amelia sah sie auf ihre undurchsichtige Art an, doch Hester lachte. »Schwarz, du hast so viel gegessen, dass selbst Goldie davon satt geworden wäre.«
»Ich weiß. Willst du die Apfelstücke da noch?«
Hester kicherte und reichte Lark ihren Teller, damit sie die restlichen Früchte essen konnte. »Armer Schwarzer Seraph«, sagte sie, als sie den Teller, der jetzt komplett leer war, zurück auf ihren Platz stellte. »Ich hoffe, er fühlt sich heute Morgen stark, wo du gerade für zwei gegessen hast! Wir sollen wohl die Große Wende üben.«
Lark stöhnte, und Amelia hob fragend die Brauen. »Ist das schwierig?«, fragte sie.
»Nein.« Hester beugte sich an Lark vorbei zu Amelia hinüber. »Außer, dass Schwarz die Übung lieber ohne Sattel fliegen würde.«
Lark wollte gerade etwas antworten, doch die Hausdame tippte ihr von hinten auf die Schulter und unterbrach sie. »Larkyn, die Leiterin möchte Sie sprechen. Sofort!«, zischte sie.
Lark schob ängstlich den Stuhl zurück. »Ist etwas vorgefallen?«, fragte sie.
Hester stand ebenfalls auf. »Was ist los, Schwarz? Stimmt etwas nicht?«
Lark schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Vielleicht geht es um deine Bestrafung wegen gestern.« Hester grinste schief.
»Ja, bestimmt.« Lark seufzte.
Die Hausdame, die bereits an der Tür stand, bedeutete Lark, sich zu beeilen. Schnell sagte Lark zu Hester: »Bitte entschuldige mich bei Meisterin Stern, ja? Ich komme, sobald ich kann.« Sie folgte der Hausdame, und Hester blickte ihr kopfschüttelnd nach.
Vermutlich hat Hester Recht, dachte Lark, während sie hinter der Hausdame durch die Halle lief. Meisterin Morghen hatte sich sicher eine Aufgabe überlegt, mit der sie beweisen konnte, dass sie ihre Tat bereute, irgendetwas Schweres, damit sie ihr Vergehen nicht wiederholte. Aber wieso jetzt? Wieso wartete sie nicht bis nach dem Unterricht? Ihr Magen rebellierte wegen des riesigen Frühstücks, das sie gerade so hastig verschlungen hatte.
Die Hausdame öffnete Meisterin Morghens Tür und trat zur Seite. Lark fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und ging mit zitternden Knien an ihr vorbei.
Als sie den großen, kräftigen Mann mit dem Hut in der Hand und den alten, aber sorgfältig polierten Stiefeln im Büro der Leiterin stehen sah, verschlug es ihr einen Augenblick die Sprache. Sie starrte ihn an und hatte einerseits Angst vor dem, was ihn wohl hergeführt hatte, und freute sich zugleich, ihn nach so vielen Monaten wiederzusehen.
Er nickte ihr zu. »Lark«, sagte er mit seiner vertrauten, polternden Stimme.
»Oh, Broh!«, rief sie und warf sich in die Arme ihres ältesten Bruders.
»Wird nach allem, was du für sie getan hast, denn Pamella kein gutes Wort für uns einlegen?«, fragte Lark ängstlich.
Broh schüttelte ernst und traurig den Kopf. »Das arme Mädchen hat ungeheure Angst vor ihrem Bruder. Das wenigstens hat Edmar irgendwie aus ihr herausbekommen.«
»Dann spricht sie also?«
»Nein, nicht mit mir. Aber Edmar weiß so einiges, weil er den Großteil seiner Zeit mit ihr und dem Jungen verbringt, wenn er aus dem Steinbruch nach Hause kommt. Jedenfalls kann man deutlich sehen, dass sie beängstigend
bleich wird, sobald der
Weitere Kostenlose Bücher