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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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jetzigen Situation würde es ihr nicht leichtfallen, ihm dazu zu verhelfen. Schlimmer noch: Fühlte er sich nach dem Akt weiterhin schlecht, schob er am Ende ihr die Schuld dafür zu. Wenn ihm dann noch auffiel, dass seine wertvolle Tabakdose seit einem Stelldichein bei ihr verschwunden war, gab es keine Rettung mehr. Während sie Carlotta mit zittrigen Fingern in ein frisches Tuch wickelte, drangen nach und nach Seumes Worte in ihr Bewusstsein vor: Hatte er nicht behauptet, die Schweden seien zurück? Entsetzt schloss sie die Augen. Im Falle eines Angriffs hatten die Kaiserlichen wohl kaum eine Chance, Wrangels Truppen noch einmal zu vertreiben. Zu lang schon harrten sie in der Gluthitze aus, um noch schlagkräftig gegen die Angreifer vorpreschen zu können.
    »Du kannst dir ausrechnen, was das für uns heißt«, redete Seume weiter. »Anders als unsere verehrten Feldherren meinen, sind in den letzten Wochen nämlich nicht die Schweden ausgehungert, sondern wir. Deren Nachschublager liegen nicht weit entfernt, wir aber werden umständlich von Magazinen aus Franken versorgt. Bis Brot und Getreide bei uns ankommen, ist es längst hart und schimmelig. Wenn so manch einer nicht einen anderen Weg wüsste, an was zu beißen zu kommen, wären wir längst alle miteinander krepiert. Das aber ist denen da oben einerlei.« Er zeigte mit dem Finger in die Luft, um die Offiziersquartiere in der Stadt auf dem Berg anzudeuten. »Die hohen Feldherren debattieren derweil lieber bei ihren Festmählern, wie sie taktisch am besten vorgehen. Wenn du mich fragst, Elsbeth: Vor lauter Taktik geht bald gar nichts mehr. Wrangel und seine Mannen scharren mit den Hufen, um den schmachvollen Rückzug auszulöschen, zu dem wir sie im Juni gezwungen haben. Inzwischen haben sie sich genug Speck auf die Rippen gefressen, um schweres Gerät zu bewegen und Geschütze aufzufahren. Die Unsrigen aber sind platt von der Hitze und besoffen vom Wein, den sie sich in die leeren Bäuche kippen. Danken wir Gott, wenn wir hier wieder heil fortkommen!«
    Verzweifelt schüttelte er den Kopf, so dass die auffällige Feder am Hut wackelte. Elsbeth beobachtete ihn beunruhigt. Dass er sich ausgerechnet in ihrem Zelt den Kummer von der Seele redete, behagte ihr ganz und gar nicht. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Sobald Carlotta sich beruhigt hatte, wandte sie sich dem grobschlächtigen Mann zu und versuchte, alle beunruhigenden Gedanken zu verdrängen und sich ganz auf seine Gegenwart zu konzentrieren. Darin lag ihre einzige Chance. Aufrecht stehend war er zu groß für das Zelt. Die lange Feder seines Hutes wurde an der oberen Plane platt gedrückt. Seume schien es nicht zu merken. Elsbeth reichte ebenfalls mit dem Kopf fast bis an die Decke. Ihrem Besucher konnte sie geradewegs in die Augen schauen. Das brachte ihn leicht durcheinander, wie sie am Flattern seiner Lider ablas.
    »Woher weißt du das so genau mit den Schweden?«, begann sie ihm zu schmeicheln. »Du hast wohl überall deine Augen?«
    »Was meinst du, was ich gemacht habe, nachdem ich heute früh von dir fort bin?« Entgegen ihrer Absicht fühlte Seume sich durch ihre Frage angegriffen. Böse blitzte er sie an. »Vor mich hin geträumt habe ich ganz sicher nicht. Ich bin ja nicht du! Käme ja nie zu was, geschweige denn zu all den Köstlichkeiten, die du dir auch so gern in deinen süßen Mund steckst.« Sein Blick fiel auf den Weinschlauch. Schlaff lag er am Boden, ein deutliches Zeichen, wie sehr seine Fähigkeiten als Proviantbeschaffer vonnöten waren. Noch immer etwas brummig, aber in Erwartung weiterer Entlohnung bereits eine Spur freundlicher, fuhr er fort: »Weit draußen war ich mit meinen Leuten, ein ganzes Stück weg von unserem Lager. Mit eigenen Augen habe ich die Schweden kommen sehen. Ein Hagen Seume glaubt schließlich nur, was er mit eigenen Augen sieht!«
    Anzüglich glitt sein Blick über ihren Körper. Lange würde sie ihn nicht hinhalten können. Er schien nicht in der Stimmung, ihr Spaß bereiten zu wollen, sondern suchte nur das eigene Vergnügen. Plötzlich rührte sich etwas in seinem Rücken.
    »Magdalena!« Von ihrem erstaunten Ausruf fuhr auch Seume herum. Elsbeth hatte Mühe, sich zu beherrschen. Die Cousine konnte sie gerade am allerwenigsten gebrauchen.
    Zunächst hatte es den Anschein, die zierliche Rothaarige kostete ihren geglückten Auftritt in vollen Zügen aus. Die gesunde rechte Hand in die schmale Hüfte gestemmt, hielt sie die bandagierte linke wie eine stumme

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