Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
weiterarbeitete, den er in dunkelgrüne Bananenblätter gefasst hatte. »Mimi Sutton – was für einen Eindruck hat sie auf dich gemacht?«
»Freundlich, sehr professionell. Schwer zu sagen, wie sie sonst so ist.«
»Rosie, jetzt schalte bitte für eine Sekunde dein Optimismus-Gen aus und sag mal, was du wirklich von ihr hältst. Ich erzähl’s auch nicht weiter. Großes Pfadfinderehrenwort. «
Ich dachte kurz nach. »Na ja, ich fand die Atmosphäre … komisch «, gab ich zu. »Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde etwas fehlen.«
Ed schaute von seinem Strauß auf. »Was meinst du damit? «
»Keine Ahnung … Ich meine, sie war sehr nett und höflich, aber ich könnte beim besten Willen nicht sagen, wie ehrlich oder aufgesetzt das war. Mir kam es vor, als hätte der Erfolg ihr alle Leidenschaft und Individualität genommen. Irgendwie war sie … ja, komisch .«
»Ah ja.« Ed nickte wissend. »Das Herz durch ein Dollarzeichen ersetzt, die Persönlichkeit durch einen Lebenslauf. Sie hat ihre Seele verkauft.«
Ed kann ein ganzes Gespräch in drei knappen Zeilen zusammenfassen. Ich sage ihm immer, er solle diese kurzen Inhaltsangaben für Hollywoodfilme schreiben. Damit könnte er ein Vermögen verdienen.
»Schade«, meinte er und drehte eine pfirsichfarbene Rose gedankenverloren zwischen den Fingern. »Ihre Bücher haben mir eigentlich ganz gut gefallen. Woraus wir lernen, dass die Person, die wir aus einem Buch herauslesen, stets nur die Person ist, als die ein Autor gesehen werden will. Und was ist mit diesem anderen Typen – Brent irgendwas? «
Schon beim Gedanken an sein vergnügtes Grinsen musste ich lächeln. »Brent Jacobs. Er ist klasse. Ich mag ihn. Du würdest ihn auch mögen.«
»Immer schön zu hören. Warum würde ich ihn mögen?«
»Er hat früher als Kriminalpsychologe gearbeitet.«
Ed lachte. »Oh je. Dann sollte ich mich lieber von ihm fernhalten. Gut möglich, dass ich mal als Fallgeschichte in seinem früheren Leben aufgetaucht bin. Wie du weißt, habe ich eine sehr bewegte Vergangenheit.«
»Aber natürlich, wie könnte ich das je vergessen – Ed Steinmann, das kriminelle Superhirn. Erklärt vielleicht, warum du bei Kowalski’s so gut reinpasst.«
»Stimmt. Zumal ich ja hier nicht der Einzige mit geheimnisumwitterter Vergangenheit bin.« Die Bemerkung kam ganz harmlos daher, aber die Spitze saß. »Ich habe jederzeit ein offenes Ohr, wenn du reden willst, Rosie.«
»Tja, will ich aber nicht.« Sofort sah ich, dass ich ihn verletzt hatte. »Tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen … Aber mir geht es gut, Ed, wirklich. Trotzdem danke.«
Seine Miene heiterte sich wieder auf, seine Augen funkelten. »Eines Tages werde ich ein Buch über dich schreiben: Rosie Duncan – eines der letzten Mysterien der Menschheit. Das wird ein Bestseller, jede Wette!«
Kunden haben mir schon oft gesagt, dass sie bei uns eine Vertrautheit zwischen den Kollegen spüren, die es in anderen Läden kaum noch gibt. Manchmal werden wir gefragt, ob wir miteinander verwandt seien – und das blanke Entsetzen, das Ed und Marnie dann ins Gesicht geschrieben steht, ist wirklich sehenswert –, da wir uns wie eine typische Familie benähmen: Wir streiten uns, wir nörgeln aneinander herum, lieben uns aber trotzdem heiß und innig und sind immer füreinander da. Wahrscheinlich verdanken wir auch das Mr Kowalski.
Mr Kowalski konnte gar nicht oft genug betonen, dass wir tatsächlich so etwas wie eine Familie wären. »Ihr seid für mich wie meine Kinder. Und ich sorge mich um euch wie ein guter Vater sich um seine Kinder sorgen würde. Wir sind eine große Familie – ein Familienbetrieb sozusagen! Das sollten wir nie vergessen, denn es ist Herz und Seele all unserer Arbeit.«
Nachdem ich Kowalski’s übernommen hatte, habe ich versucht, diesen Geist zu bewahren. Und auch wenn es seltsam klingt, ich meine Mr Kowalskis Gegenwart noch immer zu spüren. Fünf Jahre nach seinem Tod ist mir immer noch so, als sähe ich, wie ein breites Lächeln sein gutmütiges, von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht erstrahlen lässt, wenn er den »Kowalski-Kindern« bei der Arbeit auf die Finger schaut.
Am Nachmittag steckte Marnie den Kopf zur Werkstatt herein. »Habt ihr kommenden Donnerstagabend schon was vor?«, wollte sie wissen.
Ed und ich schauten auf von den Tischgestecken in Rot, Weiß und Gold, die wir anlässlich der Feier zum vierzigsten Hochzeitstag von Mr und Mrs Hymark vorbereiteten. Mrs Hymark
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